TA-NEHISI COATES: DER
WASSERTÄNZER
Ein Südstaaten-Epos der besonderen Art hat Ta-Nehisi Coates mit Der
Wassertänzer verfasst. Es ist sein Debütroman, als Autor viel beachteter Schriften
zum Rassismus aber wurde er bereits mit dem National Book Award ausgezeichnet.
Mit seinem Erstling, der in den USA ein überwältigender Erfolg war, geht der
afro-amerikanische Autor in jene dunklen Zeiten einige Jahre vorm amerikanischen
Bürgerkrieg (1861-1865) zurück. Hier wächst Hiram Walker auf der Tabakplantage Lockless
in Virginia auf, die ihre besten Tage längst hinter sich hat.
Der aufgeweckte Knirps hat eine seltene Fähigkeit, die ihm schließlich besondere
Beachtung beschert: ein fotografisches Gedächtnis. Was immer erhört oder sieht, bleibt
genauestens haften. Nur ausgerechnet an seine Mutter hat er keinerlei Erinnerung, dabei
war er schon neun, als mit ihr das geschah, was immer mehr Plantagenbesitzer taten, wenn
es wirtschaftlich eng wurde: sie verkauften gewinnbringende Sklaven.
Wie Hirams schöne Mutter Rose, die so auf Nimmerwiedersehen verschwand. Plantageneigner
Howell Walker hatte sich ihrer erst zum Vergnügen bedient, nun füllte sie die leere
Kasse auf. Den gemeinsamen Sohn Hiram aber holte er zwei Jahre später ins Herrenhaus und
ließ ihm sogar etwas zukommen, das für Schwarze sogar untersagt war, er erhielt
Unterricht.
Wenn er jedoch auch nur zaghaft davon zu träumen begann, in der Ordnung der Plantage
einmal ein ernsthafte Rolle zu spielen, so sorgte der ältere echte Sohn
Maynard dafür, dass der ungleich intelligentere und insgesamt fähigere Hiram auf den
angestammten Rang als Verpflichteter zurechtgestutzt wurde. Auf ewig ein
Sklave und er könnte sogar jederzeit verkauft werden.
Doch dann passiert, was der Prolog bereits geheimnisvoll angedeutet hat: Hiram erlebt
seine erste sogenannte Konduktion. Bei einer Kutschfahrt mit dem betrunkenen Maynard und
einem leichten Mädchen überkommt Hiram beim Überqueren des heimatlichen Flusses ein
Anwallung, in der ihm aus tiefster Erinnerung seine Mutter erscheint. Und während die
Kutsche samt Insassen in den Fluzss stürzt, überlebt allein Hiram, völlig erschöpft
aber unversehrt.
Erstmals ist damit seine Gabe der Teleportation zutage getreten, und als er mit 19 Jahren
Lockless entflieht, lernt er im Norden nicht nur weitaus größere Freiheiten für
Schwarze kennen, sondern auch die geheimnisumwobene Underground Railroad.
Diese Organisation gab es wirklich und sie sorgte immer wieder für die Flucht von Sklaven
aus den Südstaaten.
Ich-Erzähler Hiram begegnet dem legendären Moses, hinter dem sich Harriet
Tubman (1820-1913) verbirgt, berühmteste aller Fluchthelfer. Offenbar hat auch sie die
Gabe der Konduktion und zu Kondukteuren wurden jene Menschen, die Flüchtlinge
auf teils übernatürliche Weise aus der Sklaverei retteten. Für Hirman kommt es zu
dramatischen Aktionen, bei denen er auch seine Adoptivmutter und die geliebte Sophia
fortführen will.
Und jedes Mal ist es die Heraufbeschwörung tiefster Erinnerungen an die Mutter, die ihn
immer stärker bei der Ausschöpfung dieser Kraft werden lässt. So bewegt sich dieser
fesselnde Roman in einer Atmosphäre ähnlich dem magischen Realismus großer
lateinamerikanischer Erzähler und das durchgehend aus der Sicht des afro-amerikanischen
Helden der bewegenden Geschichte.
Sämtliche Charaktere überzeugen mit ihrem authentischen Bild und dem Autor gelingt dabei
in erstaunlicher Weise, den Kampf gegen die Entwürdigungen ohne explizite Beschreibungen
der üblichen Gewalt- und Bestrafungsexzesse gegenüber den Sklaven dennoch zutiefst unter
die Haut gehen zu lassen.
Und all diese Qualitäten werden auch in der exzellenten Übersetzung von Bernhard Robben
beibehalten. Mit einer Einschränkung, die er selbst im Nachwort erklärt: er hat bewusst
keine direkte Übertragung der Original-Umgangssprache der Sklaven jener Zeit vorgenommen.
Die sehr eigene Wortwahl und Grammatik hätten den Eindruck von mangelnden
Sprachfähigkeiten vermittelt. Hiram Walker aber war belesen und sogar besonders
sprachmächtig in diesem nur für weiße Ohren dümmlich erscheinenden Idiom.
Fazit: ein ganz großer Roman und ein Meilenstein in der Literatur über Sklaverei und
Rassismus.
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