RUCKER/LEONNIG: „TRUMP GEGEN DIE DEMOKRATIE“


Die kritischen und/oder entlarvenden Bücher über den 45. Präsidenten der USA nehmen nach gut drei Jahren im Amt immer noch zu. Doch gegenüber Bestsellern wie Michael Wolffs reißerischem „Fuer und Zorn“ und dem eher aus Zweitversionen von Berichten hervorgegangenen „Furcht. Trump im Weißenm Haus“ von Bob Woodward legen Philip Rucker und Carol Leonnig nun ein ebenso grundseriöses wie aktuelles Buch über das Trump-Regime.
„Trump gegen die Demokratie“ lautet der deutsche Titel zutreffend aber etwas plump. Der Untertitel, der auch der Originaltitel ist, heißt jedoch „A very stable Genius“. Diese satirisch anmutende Einstufung der Geistesgaben des erratischen Präsidenten ist aber nicht nur eine offizielle und absolut ernst gemeinte Selbstei9nschätzung Trumps – er hat sie persönlich mindestens vier Mal in die Welt hinausposaunt.
Vorweg sei jedoch klargestellt: die beiden Journalisten der „Washington Post“ gewannen für ihre Trump-Berichterstattung bereits den Pulitzer-Preis und entgegen dem reißerisch anmutenden Klappentext berichten sie sachlich und nüchtern. Vor allem aber beruhen ihre Ausführungen auf eingehend recherchierten und auf vielen Details und den Interviews mit rund 200 Ansprechpartnern, weit überwiegend solchen, die hohe und höchste Posten in der Trump-Administration bekleidet habe wie Ex-Außenminister Rex Tillerson.
Viele Zeugen aber sagten nur unter der Gewährleistung von Anonymität aus, zuma Donald Trump für seine gnadenlose Rachsucht bekannt ist. Viele der untersuchten Begebenheiten wurden in Grundzügen schon von anderen Autoren und in anderen Medien beleuchtet, hier jedoch wird manche bisher kolportagehaft oder unglaubhaft wirkende Meldung mit Fakten und Schilderungen der tatsächlichen Vorgänge verifiziert. Und sorgt für begründete Beunruhigung über irritierende Aussagen und Entscheidungen, deren Darstellung man bisher eher für übertrieben gehalten hat.
Die Autoren versprechen im Vorwort „Präsident Trump ungefiltert“ und den bekommt man auch. Wie dessen jämmerliches Auftreten in Helsinki mit dem von ihm unübersehbar bewunderten Wladimir Putin. Mit all den Details wird dieses in unüberbietbarer Selbstüberschätzung dargebrachte Idiotenstück noch peinlicher. Selbst bei Trumps Liebling-Fernsehsender FOX gab es Aufruhr, weil Trump offen dem russischen Präsidenten das Vertrauen aussprach und es im selben Atemzug den eigenen Geheimdiensten vorenthielt. Das reichte daheim bis hin zu Vorwürfen landesverräterischer Äußerungen.
Doch ein Rechts- oder Demokratiebewusstsein darf man von dem „stabilen Genie“ ohnehin nicht erwarten. Schon im Wahlkampf hatte er im Juli 2016 lauthals verkjündet, dass er das System auf Vordermann bringen wolle. Und es war sein umjubeltes Wahlversprechen: „I alone can fix it.“ (Ich allein kann es in Ordnung bringen.)
Wobei ihn die Gewaltenteilung und lästige Gesetze wenig stören. So forderte er den inzwischen geschassten Außenminister Tillerson auf, den „Foreign Corrupt Practics Act“ von 1977 zu beseitigen. Der untersagt es Amerikanern und US-Firmen, mit Bestechung für internationale Aufträge zu sorgen. Das empfand der große Dealmaker als Geschäftshindernis.
Immer wieder belegen die Autoren auch die geradezu demonstrative Ignoranz des POTUS und sein Ausrasten gegenüber Belehrungen. Wie bei jener internen Sitzung, bei der Verteidigungsminister James Mattis, der Außenminister und etliche hohe Militärs und Berater Trump über die aktuelle Weltpolitik und die außenpolitische Agenda der USA briefen wollten.
Das war offenbar zu viel, zu lang und zu oberlehrerhaft – immerhin ging es u.a. um Schwergewichtiges wie die NATO und das Atomabkommen mit dem Iran – und Trump rastete aus bis hin zu Beschimpfungen, die darin gipfelten, dass er die Anwesenden angeiferte: „Ihr seid alle Verlierer. Ihr seid nichts als ein Haufen Weicheier und Babies!“ Von den Reaktionen auf diese Toberei wurde später die nicht widerlegte Äußerung von Rex Tillerson bekannt, der Präsident sei ein Vollidiot.
Ein eigentlich selbst für Trump-Verehrer peinliches Ereignis wird hier ebenfalls explizit bis zum Fremdschämen detailliert geschildert: Trumps völlig weltfremder Auftritt mit dem von ihm international massiv aufgehübschten nordkoreanischen Diktator Kim Jung-un. Aber auch über sein rüpelhaftes Benehmen gegenüber internationalen Politikern, selbst wenn sie an sich Partner sein sollten, gibt es auch aus deutscher Sicht ein bemerkenswertes Schmankerl.
Der G7-Gipfel vom Juni 2018 in Quebec hatte Trump offenbar genervt und Bundeskanzlerin Angela Merkel schätzt er bekanntermaßen ohnehin überhaupt nicht. Nun griff er in die Jackentasche, holte zwei Bonbons hervor und warf sie vor Merkel auf den Tisch mit der Bemerkung; „Hier, Angela. Sagen Sie nicht, dass ich Ihnen nie etwas gegeben hätte.“
Das Buch offenbart ein Panoptikum unglaublicher aber authentischer Szenen aus dem Gebaren des mächtigsten Mannes der Welt. Und es sind hochrangig gewesene Spitzenkräfte aus Trumps Umfeld, die ihn als egozentrisch, emotional, kindisch, uninformiert bis völlig ignorant beschreiben: ein beängstigend unberechenbarer Mann und eine „langfristige und unmittelbare Gefahr für das Land“. Und eben nicht nur für die USA, weshalb dieses hervorragend geschriebene Buch zum regelrechten NonFiction-Politthriller geworden ist, der leider auch uns mehr angeht, als uns lieb sein kann.

# Philip Rucker/Carol Leonnig: Trump gegen die Demokratie – A very stable Genius (aus dem Amerikanischen von Martin Bayer u.a.); 560 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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