GEORG M. OSWALD: „VORLEBEN“


Die zerstörerische Macht des Zweifels beschwört Erfolgsautor Georg M. Oswald in seinem neuen Roman „Vorleben“ herauf. Die beiden Hauptfiguren bringen dafür beide recht ungünstige Voraussetzungen mit: ein gerüttelt Maß an Eifersucht.
Sophia Winter ist mit ihren 38 Jahren eine Journalistin, die ihren Aufstieg längst hinter sich hat und sich über den Auftrag glücklich schätzen muss, das Programmheft für das Symphonieorchester München zu konzipieren. Dafür muss sie die Musiker interviewen und zu Konzerten mitreisen. Zwischen ihr und dem gefeierten Cellisten Daniel Winter funkt es dabei schnell sehr intensiv.
Ein Glücksfall für Sophia, denn der zehn Jahre ältere Musiker ist in vielerlei Beziehung eine angenehme Erscheinung. Wohlsituiert, mit einer wunderbaren Eigentumswohnung unterm Dach im angesagten Glockenbachviertel, und ein zärtlicher Liebhaber ist er obendrein. Die Verliebtheit ist groß, allerdings gibt es eine Schwachstelle: „das gemeinsame Leben, das sie führten, fand unter Ausschluss ihrer Vergangenheit statt.“
Die bei Sophia etliche Affären und eine achtjährige und dann gescheiterte große Liebe umfasst. Von Daniel weiß sie nur, dass er ein verwöhntes Einzelkind war und eine Ex-Frau einschließlich neunjähriger Tochter eine gewisse Rolle spielt. Dann jedoch kitzelt eine aufgeschnappte Bemerkung eines Freundes zu Daniel auf einer Party vom „Vorleben“ eine sensible Stelle bei Sophia.
Und weckt die berufsbedingte Neugier in ihr, denn es fällt irgendwann auch der Name Nadja Perlmann. Als Daniel danach einige Tage auf Konzertreise weilt, beginnt sie in seinen alten Fotoalben zu blättern. Und sie entdeckt dort diese Frau, von der es später einmal heißt: „Nadja fand jede Art von Normalität erbärmlich.“ Was den schüchternen und unsicheren Daniel damals schier verrückt vor Eifersucht werden ließ.
Als Sophia dann auch in einem „Reiseführer für Eingeborene“ zufällig auf die Geschichte eines Mordes vor über 25 Jahren stößt und dazu ein Foto dieser Nadja abgebildet ist, geht das Misstrauen mit ihr durch. Mit solch weitreichenden Folgen, dass ihr der verbitterte Daniel schließlich vorwirft: „Du hast mich auf die schweinischste Art und Weise ausspioniert.“
Mehr sei von diesem atmosphärisch dichten und klug erfundenen Psychospiel nicht verraten. Fazit: ein intelligent fesselnder Roman mit überzeugenden Figuren und einer ebensolchen Geschichte.

# Georg M. Oswald: Vorleben; 215 Seiten; Piper Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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