HANNES WADER: TROTZ ALLEDEM.
MEIN LEBEN
Mit 75 erkannte Hannes Wader, dass ein Buch über sein Leben nur von ihm selbst
geschrieben werden könne. Wie sehr der wohl größte deutschsprachige Liedermacher damit
recht hat, beweist seine nun vorliegende Autobiografie unter dem Titel Trotz
alledem. Mein Leben.
Man weiß ja, dass er schreiben kann auch wenn er selbst behauptet, er tue es nicht
gern. Abgesehen von dieser Flunkerei überwältigt die Chronik seines bewegten Lebens
gerade durch die Ehrlichkeit und schonungslose Offenheit, mit der er sie verfasst hat.
Dass da schon in Kindertagen etwas für ihn vorprogrammiert watr, deutet die Adresse an,
unter der er in Hoberge bei Bielefeld aufgewachsen ist: Poetenweg 25.
Doch diese Dorfkindheit in einfachen Verhältnissen war für das verträumte Kind von
wenig Nestwärme begleitet. Wader widmet den Kindheits- und Jugendtagen breiten Raum und
diese Passagen sind an sich bereits großartige Zeitdokumente, was sich dann mit der
weiteren Vita beeindruckend fortsetzt. Zwei Eigenschaften prägen Wader, der sich sehr von
den anderen, sehr ruppigen ostwestfälischen Kindern und Jugendlichen unterscheidet, ganz
entscheidend: eine hohe Sensibilität bis hin zu depressiven Phasen und seine sture
Eigenwilligkeit, die nach eigenem Bekunden auf einem Mangel an
Anpassungsintelligenz beruht.
Asu der Lehre als Schaufensterdekorateur fliegt er, weil er in den Pausen musiziert.
Stattdessen bewirbt er sich erfolgreich für ein Grafikstudium. Doch das Musizieren
gewinnt spätestens dann Oberhand, als er die Leider von George Brassens und auch Bob
Dylan hört. Erste eigene Lieder entstehen und 1966 beim ersten Auftritt auf dem
legendären Burg-Waldeck-Festival hat er ein Erweckungserlebnis. Bis dahin hatte er sich
als völliger Außenseiter gefühlt, denn wer schrieb schon neue Folksongs in deutscher
Sprache?!
Ganze vier Lieder konnte er da erst vorweisen, die aber sensationell gut ankamen. Und es
ging voran mit dem knorrigen Barden, für den Knut Kiesewetter 1969 erste
Schallplattenaufnahmen durchdrückte. Die zur Verblüffung der Plattenfirma sogar
erstaunlich erfolgreich waren und nicht nur immer höhere Umsätze sondern auch
überfüllte Konzertsäle nach sich zogen.
Doch die Ereignisse der 68er Jahre, der APO, der Vietnam-Prozesse bestärkten Wader auch
in seiner linken Weltanschauung. Vieles floss in seine kritischen Liedertexte ein und er
dann 1977 auch noch ganz offiziell und aus Überzeugung der DKP beitrat, wurde er von den
westdeutschen Medien gemieden. Was seinem Erfolg dennoch keinen Abbruch tat.
Auch aus diesen Jahren der Rastlosigkeit und der Begegnung und Zusammenarbeit mit vielen
großen Kollegen mit Reinhard Mey ist er seit über 50 Jahren befreundet
erzählt er Spannendes und auch hier sind in jedes Kapitel Liedertexte eingeflochten. Zu
seinem Leben gehört auch die alte Mühle im nordfriesischen Struckum, in der er 25 Jahre
lebte und auch Platten aufnahm. Und er hatte eindrücklich Erlebnisse bei Konzerten in der
DDR und der Sowjetunion. Wo er dank einer ominösen Intrige einen demütigenden
Konzertauftritt vor 140 Zuhörern im riesigen Moskauer Lenin-Sportpalast überstehen
musste.
Ebenso direkt wie selbstkritisch berichtet er nicht zuletzt unter den Eindrücken mit dem
realen Sozialismus vom Konflikt mit seiner Weltsicht. Was schließlich 1991 zum Austritt
aus der DKP führte ohne sich grundsätzlich von seiner sozialistischen
Grundüberzeugung abzuwenden. Als Mann von Charakter lässt Wader aber auch seine
Anfälligkeiten nicht unerwähnt wie einige Süchte.
Um so wichtiger war 1985 das Kennenlernen seiner zweiten Ehefrau Cordula, mit der er zwei
Kinder und bereits die Silberhochzeit gefeiert hat. Sie brachte nicht nur eine gewisse
Ordnung in das auch finanziell recht chaotische Leben des ebenso kritischen wie
humorvollen Geistes. Und auch wenn er 2017 und nicht mehr ganz frei von Altersmolesten den
Bühnenabschied nahm, bleibt er kreativ, träumt weiter von einer gerechteren Welt und
frönt seiner Leidenschaft fürs Gärtnern.
Fazit: eine herzerfrischend offene und uneitle Autobiografie eines großen Künstlers, der
immer er selbst geblieben ist und ganz viel zu berichten hat aus einem Leben, das zugleich
die deutsche Nachkriegsgeschichte in eindrücklicher Weise begleitet hat. Eine fesselnde
Lektüre und für jeden, der den Barden einmal im Konzert erlebt hat, ein schlichtes Muss.
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