LISA TADDEO: „THREE WOMEN – DREI FRAUEN“


Porträts des Begehrens nennt Lisa Taddeo das, was sie in ihrem in den USA ebenso heiß diskutierten wie erfolgreichen Buch „Three Women – Drei Frauen“ präsentiert. Die Autorin betont dazu im Nachwort ausdrücklich: „Der Inhalt des vorliegenden Werks ist nicht frei erfunden.“
Sie wollte grundlegende Wahrheiten über Frauen und ihr Begehren untersuchen und dafür sammelte sie unzählige Kontakte, reiste durch das Land und widmete ihren Probandinnen tausende von stunden für Gespräche, Mails und dergleichen. Drei Frauen kamen wegen ihrer Bereitschaft zur besonderen Offenheit dann zur Auswahl und Lisa Taddeo zog für eine von ihnen sogar zeitweise in deren eher ländlichen Bundesstaat.
Die Geschichte von Maggie bildet eine Art Rahmen, denn sie ist am geringsten anonymisiert, weil der Aufhänger ein von ihr initiiertes medienwirksames Gerichtsverfahren war. Mit 17 begann die Tochter alkoholkranker Elktern – bei denen sie dennoch ordentlich aufwuchs – eine Affäre mit ihrem Englischlehrer Aaron. Der war zwölf Jahre älter, bereits Familienvater und betörte sie zurückhaltend aber nicht abweisend.
Nach intensivem platonischen Flirten bis hin zu nächtlichen Telefonaten und heimlichen Botschaften kommt es dann doch zu ziemlich intensiven sexuellen Handlungen und Maggie fühlt sich endlich als attraktive junge Frau. Aber – Aaron beschert der jungfräulichen Geliebten zwar mit Händen und Mund ungeahnte Wonnen, seine Hose jedoch bleibt geschlossen. Trotzdem bricht für Maggie eine Welt zusammen, als die Sache durch Unachtsamkeit auffliegt und sie auch noch als „Hure“ und Schlimmeres geschmäht wird.
Die Autorin lernte sie mit Mitte 20 kennen, als sie vor Gericht auf der Klageseite sitzt. >Mit Depressionen und Problemen der Lebensbewältigung hat sie Aaron nun doch noch wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt – und muss am Ende mit dem Freispruch des immer noch heimlich von ihr Begehrten leben. Dabei erscheint das Schicksal von Lina, der katholisch erzogenen Hausfrau aus Indiana ungleich belasteter.
Mit 15 war der eher unscheinbare Teenager in Aidan verknallt, doch man ging brav miteinander um. Um so fataler wirkte sich ein Zwischenfall auf einer vermeintlich harmlosen Party aus: drei Typen machen Lina mit einem Drink gefügig und vergewaltigen sie. Was als Gerücht auch noch zu Aidan dringt mit entsprechenden Konsequenzen. In dem Postboten Ed findet sie später einen Mann, der ihr zwar zwei Kinder und ein Haus bescherte, ansonsten aber eine taube Nuss ist.
War der seltene Sex schon unerquicklich, litt Lina seelisch und auch psychosomatisch noch viel mehr darunter, dass Ed sie seit über zehn Jahren nicht mehr küsste. So emotional und sexuell ausgetrocknet, kommt es bei einem Wiedersehen mit Jugendliebe Aidan nach nunmehr 15 Jahren zum Beginne einer heftigen Affäre, für die Lina keine Strapaze für die Arrangements zu anstrengend ist. Aidan, kein Adonis mehr und selbst Familienvater, gibt ihr weder Gefühle noch Zärtlichkeiten, aber er erfüllt das Grundverlangen ihres Begehrens: er „besorgt“ es ihr so deftig, dass sie sich rein körperlich nicht wie eine zweifache Mutter sondern wie ein Teenager fühlt.
Die elegante Sloane ist dagegen ein völlig anderer Typ, aus gutem Haus mit entsprechender Ausbildung. Die kultivierte Schönheit hat schon viel sexuelle Erfahrung – auch mit Frauen – und ist mit ihren 27 Jahren eine Art weibliches Alphatier, als sie Richard, Chefkoch eines Nobelrestaurants, kennenlernt. Gemeinsam eröffnen sie ein eigenes Restaurant, doch auch ihr Eheleben erscheint ausgesprochen gut.
Allerdings setzt Richard eine frivole Variante in Gang, die es in sich hat und Sloane auf sehr eigene Weise süchtig macht: sie soll mit anderen Männern schlafen und Richard schaut dabei zu, macht sogar selbst mit oder lässt sich zeitnah darüber informieren. Für sie sind es häufig nicht unbedingt Partner, die sie sich aussuchen würde, andererseits ist die Belohnung besonders intensiver Sex mit Richard.
Dass es dann auch zu einer länger dauernden, von allen drei genossenen Ménage-à-trois kommt, die nach dem Zerbrechen einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt, ist aber schon das Negativste in Sloanes Liebesleben. Das mag zwar schräg und außerhalb der Norm sein, gerade bei ihren Lebensumständen einschließlich des offenbar hohen Befriedigungsgrades ist ein Grund für irgendwelches Mitleid mit ihr dennoch wirklich nicht zu erkennen.
Lisa Taddeos Buch beschreibt, wie gnadenlos Sehnsüchte sein konnen und unerfüllte erotische insbesondere. Für die gegenwärtige Geschlechterdebatte (me:too und dergleichen) sind die drei Frauenschicksale jedoch zu konventionell, um als einschlägige Diskussionsgrundlage zu dienen. Der große Erfolg dieses NonFiktion-Romans liegt dabei vor allem in der Offenheit begründet, mit der hier gekonnt und explizit in reichem Maße das sexuelle Liebesleben geschildert wird.
Fazit: ein ebenso pikantes wie mitreißend verfasstes Debüt, das allerdings nicht unbedingt ein exemplarische Sittenbild darstellt.

# Lisa Taddeo: Three Women – Drei Frauen (aus dem Amerikanischen von Maria Hummitzsch); 416 Seiten; Piper Verlag, München; € 22


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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