SHAUN TAN: „ZIKADE“


Der Ausnahmekünstler Shaun Tan hat ein neues Bilderbuch herausgebracht und einmal mehr hat vielfach ausgezeichnete Australier eine tief berührende Fabel geschaffen, die für Kinder funktioniert, aber sicher noch mehr für Erwachsene.
„Zikade“ lautet der Titel und auf dem hinteren Cover gibt es einen ersten Vers von nachdenklich stimmender Schlichtheit; „Zikade erzählt Geschichte. Geschichte gut. Geschichte einfach. Geschichte, die sogar Mensch versteht. Tack tack tack!“ Auf dem Titelblatt nun Zikade, im grauen Anzug mit Hemd und Krawatte, vier Arme, große schwarz-grün glänzende runde Augen.
Zikade ist Büroangestellter und seine Bürowelt ist so grau wie die menschlichen Kollegen. Die ihn nicht mögen, die ihn sogar schikanieren. Die schlecht arbeiten. Im Gegensatz zu ihm, der nie Fehler macht, nie krank ist. Und dennoch keine Anerkennung dafür erhält, nie befördert wurde in 17 Jahren Firmentreue. Dabei muss er sogar in einer Nische im Büro wohnen, weil er eine Miete nicht bezahlen kann.
17 Jahre und nun in die Rente, ein Abschied ohne Rede, ohne Feier. Zikade steigt aufs Firmendach, steht am Abgrund. Doch die Tristesse endet nicht im Schrecken, denn es tut sich Wundersames: kraftvoll rot bricht Zikade aus seinem Angestelltenanzug und fliegt von dannen zu seinesgleichen im Wald. Und denkt Zikade manchmal zurück an die Menschen – muss er lachen.
Eine zuweilen beklemmende und tief philosophische Fabel in perfekter Bildsprache, die ein wahrhaft befreiendes Ende hat. Ein einfacher und doch höchst komplexer Geniestreich, der mit 16 Bildern auskommt und selbst die faszinieren teils ohne Text.

# Shaun Tan: Zikade (aus dem Englischen von Eike Schönfeld); 32 Seiten, farbig ill., Großformat; Aladin Verlag bei Thienemann, Stuttgart; € 17

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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