KENNETH BONERT: DER ANFANG
EINER ZUKUNFT
Vor rund fünf Jahren schrieb der in Johannesburg geborene Kenneth Bonert das Meisterwerk
Der Löwensucher über eine jüdische Familie im Südafrika der 30er und 40er
Jahre. Im Mittelpunkt stand damals Isaac Helger.
In seinem neuen Roman Der Anfang einer Zukunft hat nun dessen Sohn Martin die
zentrale Rolle inne.
Es ist ein Sprung ans Ende der 80er Jahre, die Helgers leben in einem guten Vorort von
Johannesburg und der fast 70-jährige Isaac ist als Autospezialist immerhin zu so viel
Wohlstand gekommen, dass beide Söhne die vornehme private Solomon Highschool besuchen
können. Doch während Ich-Erzähler Martin als introvertierter Teenager weltfremd vor
sich hinträumt, brodelt es in der Familie, noch mehr jedoch in der Welt da draußen.
Noch ist Nelson Mandela eingekerkert und es wird noch einige Jahre bis zur Abschaffung der
Rassentrennungsgesetze dauern, doch der ANC (African National Congress) begehrt längst
mit Bombenanschlägen und Gewaltakten gegenüber Weißen gegen das Apartheitsregime auf.
Um so wütender hat es Isaac gemacht, dass der ältere Sohn Marcus als Spitzenschüler der
Solomon sein Studium hingeworfen und sich zur Armee gemeldet hat.
Doch auch Martin verliert einiges von seiner Unbeschwertheit, denn in der Solomon mit
ihren Schülern aus der Upper Class wird er als Underdog schnell zum Mobbingopfer. Den
großen Schub ins wahre Leben aber erhält er durch die attraktive US-Austauschstudentin
Annie Goldberg, die bei ihnen wohnt und in die er sich sofort verliebt. So sehr, dass er
ihr nachspioniert und sie ihn dabei erwischt.
Ehe er sich besinnen kann, macht sie ihn unter einigem Körpereinsatz zu ihrem Komplizen,
denn die amerikanische Jüdin ist zwar als Aushilfslehrerin in einem Township
gekommen, in Wirklichkeit aber heimlich eine aktive Unterstützerin des ANC. Zunächst
macht sie Martin klar, welches falsche Bild ihm über die Richtigkeit der Apartheid
eingebläut wurde und dass Mandela ganz und gar nicht der für jegliche Terrorakte des ANC
verantwortliche böse Geist ist.
Dann aber nimmt sie ihn sogar heimlich mit in das hermetisch abgeriegelte Township und
Martin wird mit dem unfassbaren Elend der hier vegetierenden schwarzen Bevölkerung
konfrontiert. Und bringt durch Unbeherrschtheiten sich und Annie in höchste Gefahr, zumal
sie eine geheimnisvolle Videokassette ins Lager geschmuggelt hat. Und spätestens hier
wird der so harmlos mit Schülererlebnissen begonnene Roman zum Thriller.
Einerseits rekrutiert Annie den Teenager als Kopierer weiterer Kassetten, die Brisantes
zeigen: Anleitungen zum Bombenbau. Andererseits gerät er durch den Trip in das Township
ins Visier von Police-Captain Oberholzer. Der ist nicht nur ein typischer Vertreter der
herrschenden weißen Afrikaaner voller Hass auf liberale Juden wie die spätere
Literaturpreisträgerin Nadine Gordimer, er bekennt sich auch mit Stolz zum Rassismus.
Die eigentliche Gefahr durch diesen bösartigen Fanatiker liegt für Martin jedoch darin,
dass Oberholzer noch eine alte Rechnung offen hat mit der Familie Helger, der er die
Schuld am Ruin seines Vaters gibt. Während der ebenso naive wie emotionale Martin sein
Untergrundhandwerk für Annie und den ANC emsig fortsetzt, erlebt er in der Schule immer
neue Drangsalierungen, bis ihn schließlich ein alter Widersacher ins Koma prügelt.
Mit einem raffinierten dramaturgischen Kniff lässt Kenneth Bonert den Protagonisten erst
nach über sechs Jahren und mit völliger Amnesie wieder erwachen. Und so wie Martin nun
Jahre zur Rückkehr ins bewusste Leben braucht, begegnet der Leser mit ihm den heftigen
Umbrüchen Südafrikas, das in den 90ern lange Zeit am Rande des Abgrunds schwebt.
Auch das Finale, in dem manche offene Handlungsstränge zusammenlaufen, bringt viel
Explosives und dem Autor gelingt wie im Vorgängerroman ein erschütternd authentisches
Bild, das tief unter die Haut geht. Fazit: ein ungeheuer packender Roman, der mit manch
real geschilderten Ungeheuerlichkeiten verstört und zwar ein großer literarischer Wurf
aber nichts für Zartbesaitete ist.
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