ELTON JOHN: „ICH“


„Das Großartige am Rock 'n' Roll ist, dass jemand wie ich ein Star sein kann.“ So staunt Reginald Kenneth Dwight, weltweit berühmt als Elton John, noch heute mit 72 Jahren über seine seit den späten 60er Jahren äußerst erfolgreich verlaufene Karriere.
Er war schüchtern, dicklich, sein Haar lichtete sich früh und obendrein war er früh als schwul bekannt, wie er in „Ich. Die Autobiografie“ ganz offen zugibt, die er unter Mithilfe des Musikkritikers Alexis Petridis jetzt verfasst hat. Selten hat ein Künstler derartig rückhaltlos über sein Leben berichtet wie Sir Elton, der eine ebenso schillernde wie bewegte Vita hatte.
Sex, Drugs & Rock 'n' Roll in Hülle und Fülle, Exzesse mit Kokain und Alkohol, schmerzlich endende Liebesaffären und schwere Krankheiten bis an den Rand des Ablebens – Elton John ließ nichts aus und blieb trotz extremer Erfolge – mit über 300 Millionen Tonträgern ist er einer der Größten überhaupt – ein im Grunde liebenswürdiger Mensch, der zu großer Empathie und tief empfundenen Freundschaften fähig war.
Früh mit einer zerbrochenen Familie samt extrem zänkischer Mutter geschlagen, taumelte er zwischenmenschlich durch wechselnde Beziehungen und war für kurze Zeit (1984-1988) sogar mit Renate Blauel – also einer Frau – verheiratete, bis er nach der wohl lebensrettenden großen drogentherapie Anfang der 90er Jahre in David Furnish die Liebe seines Lebens kennenlernt. 2014 heirateten die Beiden und einschließlich der beiden gemeinsamen Söhne ist ihm ein spätes auch privates Glück beschieden.
Doch bei all dem Understatement des spleenigen Paradiesvogels mit dem Hang zu schrillen Brillen und Kostümen darf eines nicht vergessen werden: Elton John ist ja nicht nur ein begnadeter Sänger, Pianist und Bühnen-Fex sondern ohne Übertreibung nicht weniger als der Mozart der Rock- und Popmusik. Wozu als außerordentlicher Glücksfall für den unaufhörlichen Ausstoß von Ohrwürmern und Welthits die unglaublich fruchtbare Künstlerpartnerschaft des Komponisten mit dem kongenialen Textschreiber Bernie Taupin kommt.
Und wenn ein Star, der unendlich viele Kollegen näher kennengelernt hat, dann ganz ungeniert aus dem Nähkästchen plaudert, gibt es allerhand zu staunen oder zu schmunzeln. Da sagt er ganz offen über den nicht beneideten sondern bemitleideten Michael Jackson nach einer geisterhaften Begegnung, der habe wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank gehabt. Oder es passierte Skurriles, als sich John darüber echauffierte, dass sich auf einer seiner üppigen Gartenparties sich offenbar ein Gärtner an der Bar bediente. Worauf ihn George Harrison über den abgerissen wirkenden Typen aufklärte – es war ein gewisser Bob Dylan.
Negative Bemerkungen über Kollegen sind ansonsten eher rar, allerdings habe sich Tina Turner bei einer geplanten gemeinsamen Tournee als so giftig und maßlos erwiesen, dass er und seine Band mit diesem „Alptraum“ nicht mehr zusammenarbeiten wollten. Dabei ist Elton John durchweg selbstkritisch und kommt ohne Selbstbeweihräucherung aus. Manches in seinen Memoiren ist bewegend wie die Erinnerung an die Trauerfeier für seine Freundin Prinzessin Diana, immer wieder scheint aber auch typisch britischer Humor durch.
Fazit: die außergewöhnlich offene Autobiografie einer lebenden Legende, warmherzig, detailliert, zuweilen überraschend, allerdings auch explizit in der Sprache.

# Elton John: Ich. Die Autobiografie (aus dem Englischen von Harriet Fricke, Stephan Glietsch und Torsten Groß); 496 Seiten, div. Abb.; Heyne Verlag, München; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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