JOHN le CARRÉ: „FEDERBALL“


John le Carré ist rückfällig geworden und hat mit jetzt 88 Jahren erneut einen Spionageroman verfasst. Angestachelt haben ihn dazu Dinge, die ihn in höchstem Maße aufregen: Brexit, Trump und Putin. Entsprechend tagesaktuell ist „Federball“ geraten, doch natürlich baut ein Meister wie er seinen Verdruss raffiniert ins Geschehen ein.
Das beginnt mit Ich-Erzähler Nat, knapp 47 und nach 25 Jahren im Dienste Ihrer Majestät überwiegend im osteuropäischen Raum heimgekehrt. Vor allem um sich endlich mehr Ehefrau Prue und der studierenden Tochter widmen zu können. Nebenher genießt er als amtierender Badminton-Champion des Athleticus Badminton Clubs die Zeit für die geschätzte sportliche Betätigung.
Dass ihn da ein junges Neumitglied namens Ed zu einem Match herausfordert, bleibt zunächst Nebensache für Nat, denn er muss beim MI6 vorsprechen. Entgegen seiner Annahme soll er jedoch nicht aufs Altenteil abgeschoben werden. Stattdessen landet er in der „Oase“, einer auf russische Aktivitäten in England ausgerichteten Unterabteilung, die auf Nats Erfahrung als langjähriger Anwerber und Agentenführer setzt.
Während sein Vorgesetzter Dominic eine inkompetente Charge ist, steuert die junge Kollegin Florence viel Cleverness bei. Zu tun haben sie es unter anderem mit einem russischen Oligarchen und seinen obskuren Machenschaften sowie mit unzuverlässigen Doppelagenten. Obdendrein kommt der Verdacht auf, der russische Geheimdienst könnte einen hochrangigen britischen Geheimnisträger rekrutiert haben.
Zur tragenden Hauptrolle entwickelt sich jedoch Edward „Ed“ Shannon, der junge Badminton-Herausforderer. Von dem Nat herausfindet, dass er für den US-Geheimdienst arbeitet, wogegen der sympathische Schlacks nicht von Nats wahrer Profession weiß, selbst dann nicht, als er zarte Bande mit MI6-Kollegin Florence knüpft. Für Nat wird die Arbeit des eher unbedeutenden CIA-Mitarbeiters jedoch hochspannend, denn der stößt auf ein höchst kritisches Komplott.
Als er deshalb mundtot gemacht werden soll, kommt Nat in Loyalitätskonflikte bis an den Rand des Hochverrats. Das ist faszinierend doppelbödig gewebt und wie gewohnt kommt le Carré dabei mit wenig Action aus, denn Vorbild ist eher sein legendärer John Smiley und nicht James Bond. Hinein aber packt er ganz viel hochaktuelle gallige Kritik, wobei Ed das Hauptsprachrohr gibt.
Der idealistische zornige junge Mann nennt da schon mal US-Präsident Trump „eine Bedrohung der gesamten zivilisierten Welt, einen Aufwiegler, der der systematischen ungebremsten Nazifizierung der Vereinigten Staaten vorsitzt.“ Und zur Steigerung nennt er ihn Putins Latrinenputzer: „Und pisst dabei auf die europäische Einheit, pisst auf die Menschenrechte, pisst auf die Nato.“ Man ahnt, welch heftigen Frust der Demokratie- und Europa-Freund in sich hat, dem er hier so ungewohnt brachial ein Ventil gibt.
Ansonsten aber ist auch „Federball“ ganz auf der bewährten Linie, also voller Täuschungen, Hintergründigkeiten, unzuverlässiger Charaktere und wie immer „very British“ geschrieben und das mit großer Souveränität.


# John le Carré: Federball (aus dem Englischen von Peter Torberg); 349 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 24


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1433 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de