NICHOLAS SEARLE: „DER SPRENGSATZ“


An den Überwachungsbildschirmen muss Jake Winter ein furchtbares Fiasko miterleben: sein V-Mann Abu Omar sprengt sich bei der als Sicherheitsübung gedachten Übung voll durchgeplanten Aktion mit seinem Rucksack in die Luft. Mitten in einem Stadtbahnhof, 63 Tote und viele weitere Opfer.
Das ist der Auftakt zu Nicholas Searles Thriller „Der Sprengsatz“, mit dem der britische Erfolgsautor tief in die Szenerie von MI5 und Terrorismusabwehr einsteigt. Für den erfahrenen Geheimdienstoffizier Winter ist es nicht nur eine persönliche Katastrophe, weil Abu Omar „sein“ Agent war, denn in dem folgenden Untersuchungsausschuss steht er als zentraler Sündenbock da.
Doch die Gefährdungslage bleibt gleichwohl bedrohlich und sie brauchen V-Leute, um in Terrorzellen eindringen zu können. Was schwer genug ist und wenn man dann jemanden findet wie Rashid – kann man ihm weit genug trauen? Kollegin Leila tut es mehr als Winter in seiner Verunsicherung, die die gnadenlosen Befragungen mit ihren mal unterschwelligen, mal offenen Schuldzuweisungen nur noch befeuern.
Mindestens so spannend wie diese interne Gedankenwelt wie auch das Funktionieren des Geheimdienstes in sich erweisen sich aber ebenso die Passagen, in denen Terroristen ihre Vorbereiten vorantreiben. Und vor allem ihr abstruser Fanatismus, zumal einige von ihnen als Glaubenskämpfer in Einsätzen in Krisenregionen des Nahen Ostens zu solchen Schlächtern geworden sind, dass all die selbst verübten Gräueltaten eine regelrechte Tötungssucht erzeugt haben. Und dann ist da der von ihnen als Scheich bezeichnete große Lenker, der sein Gesicht verbirgt und sie mit gesalbtem Zynismus aber auch viel agentenmäßiger Raffinesse dirigiert.
Während der Countdown für ein ganz großes Ding anläuft, muss Winter immer deutlicher erkennen, dass er zum Bauernopfer zur Rehabilitation des MI5 aufgebaut wird. Dabei erscheint die Rolle Abu Omars zunehmend in fragwürdigem Licht, denn der wurde von US-Spezialtruppen gefangen und dem Dienst von der CIA geradezu aufgedrängt. Und – wer den ursprünglich mit Büchern gefüllten Rucksack des V-Manns ausgetauscht und tatsächlich für die Zündung gesorgt?
Als Winter dann auch noch von der Mutter eines der Opfer einen indirekten Hinweis erhält und sich seine eigene Position gefährlich verdüstert, setzt er seinen ganz persönlichen Plan B um, denn: „Integrität war kein nettes Extra, sondern ein unbezahlbares Luxusgut.“ Von Rashid aber, der aus Zweifeln an den Blutorgien zum „Spion für die Ungläubigen“ wurde, erfährt Leila Entscheidendes.
Den Probelauf eines spektakulären Anschlags soll es beim Sonntagsspiel von Manchester City gegen FC Liverpool geben: vier Gotteskämpfer, vier Rucksäcke, im Stadion 70.000 Menschen. Und nun entfalten sich die massiven, streng geheimen Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen von Geheimdienst und Polizei, zumal nur drei Tage später beim Champions-League-Spiel gegen Real Madrid der „Ernstfall“ stattfinden soll.
Fazit: ein faszinierender Blick hinter die Kulissen, der zuweilen frösteln lässt, bis zuletzt fesselt und bei all dem beunruhigend realistisch erscheint.

# Nicholas Searle: Der Sprengsatz (aus dem Englischen von Jan Schönherr); 303 Seiten; Kindler Verlag, Hamburg; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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