HANS FALLADA: „DER EISERNE GUSTAV“


Eigentlich zählte „Der eiserne Gustav“, einer der großen Erfolge von Hans Fallada (1893-1947) zu den herausragenden deutschen Romanen. Allerdings bezog sich diese Einstufung erst auf die dritte Fassung, die 1962 beim Aufbau-Verlag in der DDR erschienen war – obwohl auch sie nicht das Original war.
Derselbe Verlag legt nun endlich das vor, was im Untertitel als „Erstmals in der Originalfassung“ bezeichnet wird. Herausgegeben hat sie mit der irischen Professorin Jenny Williams eine profunde Kennerin des Gesamtwerks Falladas. Im erhellenden Nachwort stellt sie klar, dass das gewaltige Werk nicht nur für die Erstausgabe von 1938 „angereichert“ wurde.
Goebbels persönlich hatte die entsprechende unausweichliche Empfehlung gegeben, den für eine spätere Verfilmung mit Emil Jannings vorgesehenen Roman um den Droschkenkutscher Gustav Hackendahl systemkonform zu machen. Ausgehend von der echten Geschichte des historischen Falls von Gustav Hartmann, der tatsächlich als Protestaktion gegen die neuen Zeiten mit seiner einspännigen Droschke von Berlin nach Paris und zurück gefahren war, hatte sich Fallada als der perfekte Autor für diesen entlang der deutschen Geschichte von der Kaiserzeit bis zu den Umbrüchen nach dem verlorenen Krieg erwiesen.
Spießer, Proletariat, gescheiterte Existenzen und mittendrin Ordnungsfanatiker Gustav, der despotische Familienvater, der mit den neuen Zeiten nicht mehr zurechtkam. Und der ebenso populäre wie labile Autor hängte daran ein national-optimistisches Abschlusskapitel, das er in seinen Tagebüchern mit unverhohlenem Ekel als „Nazi-Schwanz“ bezeichnet.
20 Jahre später brachte der Hamburger Blüchert-Verlag dann eine „bereinigte“ Fassung heraus, die zwar ohne nazi-konformen Schluss war, zugleich aber auch inhaltlich so plump bearbeitet, dass diese Fassung als regelrecht verstümmelt gelten muss.Doch auch die 1962 erfolgte, allgemein anerkannte Aufbau-Version hätte niemals Falladas Einverständnis gefunden, denn Cheflektor Günter Caspar arbeitet zwar sehr sorgfältig, aber – auch seine Bearbeitung war wieder vom gelten politischen System geprägt.
Expertin Jenny Williams würdigt zwar den Versuch, fand jedoch zahlreiche, eben erneut systemkonforme Verfälschungen oder Tilgungen. Hier war nicht nur der „Nazi-Schwanz“ getilgt sondern auch so manche Passage, in der abwertende Äußerungen zu den revolutionären linken Kräften wie Liebknecht oder den Spartakisten vorkamen. Auch das geriet bis hin zu Romanverstümmelungen, die teils sogar zu logischen Brüchen führten.
Was hier nun rekonstruiert wurde, dürfte Falladas Originalfassung oder doch wenigstens der von ihm beabsichtigten sehr nahe kommen. Eine perfekte Wiederherstellung ist nicht möglich, da das Ur-Manuskript verschollen ist. Doch selbst, wenn man 100 Prozent nicht mehr bekommen kann, darf man Jenny Williams und dem Verlag sehr dankbar sein, dass dieses Meisterwerk gesellschaftskritischer deutscher Literatur nun in einer solch authentischen Form vorliegt: frei von Konzessionen und mit typischem Fallada-Schluss.

# Hans Fallada: Der eiserne Gustav – Erstmals in der Originalfassung; 831 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin;
€ 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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