ANDREA GRILL: CHERUBINO
Iris Schiffer, Ende 30 und von Beruf Mezzosopranistin, hockt auf der Toilette einer
Konditorei und starrt auf ein Röhrchen: die Striche zeigen an, dass sie schwanger ist.
Und sie freut sich.
Damit setzt Andrea Grills neuer Roman Cherubino ein. Genau diese Rolle des
jungen Pagen in Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro könnte Iris den
künstlerischen Durchbruch bringen, denn die soll sie an der New Yorker Metropolitan Opera
singen. Prompt schließt sich auch noch ein Folgeprojekt an und diesmal sogar für eine
Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen.
Doch erst einmal muss sie sich in die neue, ungeplante Situation einfinden. Zumal es da
noch ein Problem gibt: welcher ihrer beiden Liebhaber ist der Vater? Seit sechs Jahren ist
sie mit dem italienischen Tenor Sergio als offiziellem Freund fest liiert, der
sie im Übrigen abgöttisch liebt. Was bei aller Wertschätzung ein wenig einseitig
verläuft, denn Iris hat seit drei Jahren auch noch Ludwig. Der ist ihre große Liebe,
doch der österreichische Politiker hat Familie und nie ein Hehl daraus gemacht, dass er
die nicht aufgeben werde.
Iris entscheidet sich trotzdem für Beides, das Kind und die Karriere. Wofür sie die
Schwangerschaft möglichst lange kaschiert und sogar ihrer Agentin verschweigt. Wie aber
soll sie, die so moderne Frau, selbst damit umgehen? Bei aller Unabhängigkeit hat sie
doch ihre Sehnsüchte: Sie war nicht begabt dafür, allein zu leben, nur dafür,
allein zu wohnen.
Die Freude über das Leben in ihr bewegt sie allerdings sehr positiv und beeinflusst ihr
künstlerisches Wirken sogar ausgesprochen positiv. Wenn da nur nicht der Auftritt bei den
Salzburger Festspielen quasi mit dem errechneten Geburtstermin zusammenfallen würde. Mit
nüchterner Intensität beschreibt die Autorin ihres Zeichen studierte Biologin -
den gesamten Kosmos der körperlichen und seelischen Befindlichkeiten unter den besonderen
Bedingungen einer Schwangerschaft.
Unaufgeregt und überwiegend geradezu lakonisch ist dieser sehr weibliche Roman
geschrieben und er besticht insbesondere durch die präzisen Beobachtungen. Wobei auch der
Mythos der selbstbestimmten Frau einige Kratzer abbekommt, wenn sie sich gefühlsmäßig
hoffnungslos nach einem Ausnutzer wie Ludwig sehnt und andererseits auf den unterwürfigen
Liebesidioten Sergio stützt.
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