EDGAR RAI: IM LICHT DER
ZEIT
In Amerika erobert der Tonfilm die Kinos, Deutschland aber verharrt noch immer beim
Stummfilm und droht, als große Filmnation abzustürzen. Die noch immer mächtige UfA aber
soll für die Wende sorgen und das Ziel lautet: Mit einem Donnerschlag die Ära des
deutschen Tonfilms einläuten.
Dass das mit Der Blaue Engel tatsächlich gelang, ist hinlänglich bekannt,
Edgar Rai aber hat aus dieser Geschichte unter dem etwas langweiligen Titel Im Licht
der Zeit einen spannenden und zuweilen geradezu überschäumenden Roman geschaffen.
Der Erfolgsautor bedient sich mancher dichterischer Freiheiten, das jedoch auf großartige
Weise und natürlich sind fast alle Protagonisten historisch verbürgt.
Wie der Tausendsassa Karl Vollmüller, dem als Filmpionier und Dramaturg gelingt, ein
grundsätzlich völlig unvereinbares Team zusammenzuführen. UfA-Boss Hugenberg von der
Idee überzeugen und ihn ihn auch dann mit viel Lügerei bei der Stange halten, als er
für den kinematografischen Paukenschlag ausgerechnet Heinrich Manns Roman Professor
Unrath auswählt.
Immerhin geht es darin um einen ehrwürdigen Mann der Gesellschaft, der sich von der
Nachtclubsängerin Lola-Lola um den Verstand und um die Existenz bringen lässt. Ein arg
skandalöses Werk also, aber Vollmöller hat den absoluten star geködert: Emil
Jannings. Er gewann soeben den ersten Oscar der Filmgeschichte, steht jedoch eigentlich
vor dem Ende der gerade erst begonnenen Hollywood-Karriere durch genau den neuen Tonfilm,
dem er mit seinem unverständlichen Englisch nicht gewachsen ist.
Doch nun soll er ausgerechnet unter Regisseur Josef von Sternberg drehen, den er nach dem
Zusammenwirken in den USA so hasst, dass er nie mit ihm arbeiten will. Wie Vollmöller
diese so extrem gegensätzlichen Chargen samt Hugenberg und dem Produzenten Pommer
der schon beim legendären Stummfilm Metropolis für ruinöse
Kostenexplosionen gesorgt hatte für diesen alles versprechenden Superfilm
zusammenbringt, ist schon faszinierend zu verfolgen.
Für den wahren Clou aber, im Film wie auch im richtigen Leben, sorgt die zweite
Hauptfigur des Films: wer soll diese laszive frivole Lola-Lola spielen? Es gibt namhafte
weibliche Stars, die in Frage kämen, Sternberg jedoch verguckt sich in die Revuetänzerin
Marlene Dietrich und ganz zuvörderst in deren später so berühmten Beine. Die
28-Jährige passt zwar schon vom Typ her ideal in die Rolle, allerdings gilt sie trotz
kleinerer Filmrollen schauspielerisch als eher unbedarft.
Diese Marlene Dietrich aber wird in Rais Roman wie im Film der flirrende Glanzpunkt, wobei
er sie durchaus bereits zu einer sehr selbstbewussten und von Moralvorstellungen kaum
gebremsten modernen Frau stilisiert, die man zu jenen Zeiten wohl ein liederliches
Weib genannt hätte. Wie sie um ihre unverhoffte Rolle kämpft, wie mit
Körpereinsatz selbst Stars wie Hans Albers und Willy Fritsch becirct das hat genau
die Frivolität, die die Lola-Lola im Blauen Engel zur Leinwand-Ikone machen
sollte.
Das Alles spielte sich in Berlin im Herbst 1929 und Frühjahr 1930 ab, wo sich in der
brodelnden Hauptstadt der späten Goldenen 20er die Nazis zunehmend aufschäumten. Dazu
beginnt Edgar Rai jedes Kapitel mit echten aktuellen Medienmeldungen, während er bei den
Hauptfiguren allerlei kräftige Farbtupfer einstreut.
Und er überzeugt mit dieser Mischung, die er mit hervorragendem Zeit- und Lokalkolorit zu
einem hinreißenden und seinerseits absolut filmreifen Potpourri zusammenfügt. Fazit: das
ist um im Bild zu bleiben ganz großes Kino.
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