JUDITH KUCKART: KEIN STURM,
NUR WETTER
Sonntagabend, Flughafen Berlin-Tegel, im Café der Abflughalle lernt sie einen Mann
kennen. Robert Sturm heißt er, auf dem Weg nach Sibirien. Am Ende der Woche wird er
zurückkehren. Sie wird darauf warten.
Mit dieser eher spröden Szene beginnt Judith Kuackarts neuer Roman Kein Sturm, nur
Wetter. Warum sie dieser Fremde interessiert? Er ist 36 Jahre alt und Männer von 36
spielen in ihrem Leben eine zentrale Rolle. Auch jetzt, da sie selbst bereits 54 ist.
Promovierte Mdizinerin ohne angemessene Anstellung heißt es da irgendwann,
ein Name aber wird nicht benötigt.
Die 18 war gleichermaßen wichtig: so alt war sie, als den doppelt so alten Viktor
kennenlernte. Ein Altlinker, so erwachsen, aber nicht die wirklich große Liebe. Trotzdem
hielt es 15 Jahre, doch mit all den von ihm geschossenen erotischen Fotos anderer Frauen
blieb da dieses schale Gefühl, dass nicht sie sondern Erinnerungen an eine andere für
seine Sehnsucht standen.
Inzwischen Neurobiologin, die sich jedoch nie zu einer richtigen Medizinerkarriere traut,
lernt sie mit 36 den gleichaltrigen Johann kennen. Ähnlich lebensscheu und unfähig zu
einer Karriere wie sie, endet die Liebesbeziehung zu dem gelernten Dramaturgen noch mehr
auf dem Abstellgleis. Und es beginnen ihre sonntäglichen Ausflüge in die Abflughalle des
Flughafens.
Und sie rätselt, was Erinnerungen bedeuten, wie real sie sind, wenn sie doch nur ein
ungelebtes Leben wiedergeben, von unerfüllten Wunschvorstellungen durchzogen. Ein Leben
wie unter einer Käseglocke, schal, beinahe bewegungslos und die einzige überall zu
ahnende Gewissheit ist die einer großen Tristesse, ohne dass das Wort Einsamkeit
ausgesprochen wird.
Nein, hier bewegt sich fast nichts, das aber in erlesener Prosa voller nachdenklich
stimmender Metaphern. Fazit: ein merkwürdig nachhallender Roman, der sich allerdings für
ohnehin trübe Herbsttage wenig empfiehlt.
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