NATHAN ENGLANDER: „DINNER AM MITTELPUNKT DER ERDE“


Drei Geschichten laufen parallel in Nathan Englanders neuem Roman „Dinner am Mittelpunkt der Erde“. Sie haben zwar auch mit Liebe zu tun, indirekt aber mit der Frage: was braucht es, damit endlich Frieden herrscht zwischen Israel und den Palästinensern?
So absurd bis kafkaesk vieles auch erscheinen mag in diesem meisterhaft verwobenen Werk, so nah ist der amerikanisch-jüdische Autor zugleich der Realität. Es beginnt mit dem Häftling Z, der seit zwölf Jahren in einem Geheimgefängnis in der Wüste Negev hockt, so geheim, dass weder er noch das Gefängnis in irgendwelchen Akten vermerkt, ist. Der namenlose Wächter, der nie gewechselt hat, wurde eigens von dem Mann rekrutiert, der als Einziger über Z's Verbleib Bescheid weiß.
Die Rekrutierung erfolgte über die Mutter des Wächters und diese Ruthi ist die engste Vertraute des Generals und ehemaligen Ministerpräsidenten, der all das mit Z angeordnet hat. Z war ehemals Mossad-Agent und angeblich ein Verräter. Allerdings – der umstrittene einstige Held liegt mittlerweile seit vielen Jahren im Koma. Unschwer ist in dieser Figur der reale Ariel Sharon zu erkennen und tatsächlich eröffnen sich Koma-Träume, die aus dem „Zwischenreich“ einschneidende Passagen aus dem bewegten Leben des bärigenen Generals in einer ganz eigenen Diktion wiedergeben.
Die Träume von Häftling Z dagegen drehen sich um seine einstige Amour fou mit einer schönen italienischen Kellnerin in Paris, wo er zugleich in Ängsten vor seinen Kollegen zittert. Und dann ist da die noch heiklere Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die sich leidenschaftlich lieben, aber ebenso leidenschaftlich für ihre jeweilige Heimat kämpfen: er als Palästinenser, sie als Israelin.
Das Alles entwickelt sich langsam und ohne typische Agenten-Action. Dennoch fesselt es mit hoher komplexer Intensität und klarer lakonischer Sprache. Und so absurd manche Szenen sind, wenn da der General nächtens mit Palästinenserführer Arafat in der Küche plauscht oder das Liebespaar sich nur im geheimen Tunnel unter Gaza und Israel treffen kann, wirken sie doch historisch echt.
Egal ob Häftling Z in seiner Zelle mit den Überwachungskameras jeder Willen nach Freiheit abhanden gekommen ist oder der General in seinem geistigen Hamsterrad keine Ruhe findet – es offenbart die herbe Gegenwart in diesem Landstrich. Dieses Zwischenreich: alles ist da, nichts geht voran, die komatöse Verharrung von Israel und Palästina im hilflos hasserfüllten Patt.
Fazit: ein beklemmender Roman über die Utopie eines Friedens, von dem jede Seite ihren eigenen Traum hat, aber auch ihre jeweils eigene Moral pflegt.

# Nathan Englander: Dinner am Mittelpunkt der Erde (aus dem Amerikanischen von Werner Löcher-Lawrence); 283 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 22


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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