MICHAEL WOLFF: UNTER
BESCHUSS
Mit seinem Buch Feuer und Zorn über das erste Jahr Donald J. Trumps als
US-Präsident konnte Michael Wolff als imbedded journalist mit monatelangem
Zutritt zum Westwing des Weißen Hauses einen Welterfolg landen. Rund 200 Menschen aus dem
direkten Umfeld Trumps will Wolff damals gesprochen haben und er hatte tatsächlich
Atemberaubendes zu berichten.
Nun legt Wolff mit einem weiteren Buch über die folgende Zeit bis zur Vorlage des
Mueller-Reports nach. Der Titel lautet Unter Beschuss. Trumps Kampf im Weißen
Haus. Süffisant und geradezu realsatirisch breitet der selbst dem rechten Spektrum
zuzuordnende Autor die zahllosen Geschichten eines Hypernarziss aus, der sich zunehmend
verfolgt fühlt und sich zugleich immer wieder selbst an den Rand der Selbstzerstörung
bringt.
Da eröffnet sich ein schier unglaubliches Absurdistan eines noch wirrer irrlichternden
Präsidenten, als man es vom fernen Europa aus in den Medien mitbekommt. Und doch ist
Skepsis unbedingt angezeigt, denn dieses so genussvoll zu lesende Werk entbehrt einiger
entscheidender Qualitäten, um als politisches Sachbuch durchzugehen. Schon in Feuer
und Zorn hatte Wolff vielfach schlampig zitiert, notfalls vom Hörensagen erzählt
und blieb in bedenklicher Weise Quellennennungen schuldig.
Diese Schwächen sind in diesem Buch noch weitaus eklatanter, zumal Wolff diesmal nur
von außen recherchieren konnte. Eine der wichtigsten Quellen ist denn auch
noch ausgerechnet Steve Bannon, der berühmt-berüchtigte Polit-Hetzer vom ganz rechten
Rand und bekanntermaßen seit fast zwei Jahren als einst enger Präsidentenberater
aus dem Weißen Haus verbannt.
Die wohl größte Sensation hebt sich Wolff bis zuletzt auf: aus Quellen nah am
Büro des Sonderermittlers Robert Mueller will er Kenntnis darüber bekommen haben,
dass auf dessen Schreibtisch schon das Anklage-Dokument gelegen haben soll, mit dem Trump
unter anderem wegen Behinderung der Justiz angeklagt werden sollte. Aber genau hier hat
der zum Reißerischen neigende Journalist offensichtlich falsch gelegen: Muellers Sprecher
Peter Carr erklärte dazu öffentlich, dass derartige Dokumente gar nicht existieren.
Gleichwohl hat auch der zweite Trump-Bericht allerhand Reize, selbst wenn
teils bereits bekannte Anekdoten noch einmal aufgekocht werden. Da erfährt man, wie sehr
Trump seinen im angeblich hündisch ergebenen Vizepräsidenten Mike Pence als
religiösen Spinner von beginn an nicht gut abkonnte. Die Schmuddelgeschichten
über den offenbar dauerhaft notgeilen 73-Jährigen wirken vielfach wie Kolportage und
auch vieles andere gehört ins Reich der Spekulation.
Und dann gibt es interessante Mutmaßungen, die spannend sind, aber leider nicht mit
belastbaren Aussagen oder gar Fakten unterfüttert werden wie jenes Zweistundengespräch
Trumps mit Wladimir Putin in Helsinki im Juli 2017. Zwei Siegertypen seien ins Gespräch
hinter verschlossenen Türen gegangen, bei der anschließenden Pressekonferenz aber habe
Trump ausgesehen wie ein verprügelter Hund, behauptet Wolff.
Fazit: ein süffiges Lesevergnügen über einen unfassbaren US-Präsidenten, das viel
Interessantes erzählt, das allerdings mit zweifelhaftem Seriositätsgehalt.
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