RÜDIGER GÖRNER: „OSKAR KOKOSCHKA. JAHRHUNDERTKÜNSTLER“


Seit gut 30 Jahren hat es keine neue Biografie zu Oskar Kokoschka (1886-1980) mehr gegeben. Um so verdienstvoller erweist sich die jetzt verfasste von Rüdiger Görner, zumal er dem Doppeltalent des Künstlers als Maler und Dichter gerecht wird.
„Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler“ lautet der volle Titel und der offenbart sich nicht nur in den schieren Jahren, die das österreichische Genie gelebt und gewirkt hat. Er hat die Epochen mit wachen politischen Augen durchlebt vom Habsburger Kaiserreich über die fragile Demokratie in Österreich und Deutschland wie auch beide Weltkriege, Exil und Neubeginn mit Widerstreit von Ost und West.
Görner, seines Zeichens Professor für Neuere Deutsche Geschichte und Kulturgeschichte sowie sie t 20 Jahren Direktor des Germanischen Instituts der University of London, folgt dem Weg des hünenhaften Malerdichters, der schon früh sowohl mit Gemälden wie auch mit Theaterstücken für Skandale sorgte. Stets ein Maler nur des ganz eigenen Stils, fand er ab 1911 in Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler, die prägende Obsession seines Lebens.
Die sieben Jahre ältere hocherotische Männerfreundin sorgte für extreme Erschütterungen des ohnehin manischen Gefühlslebens des krankhaft eifersüchtigen Künstlers. So sehr, dass das herbe Ende ihn mit offensichtlichen Suizidneigungen als Kriegsfreiwilliger an die vorderste Front eilen ließ. Schwer verwundet kehrte er heim und ließ sich in seinem Wahn eine lebensgroße Alma-Mahler-Puppe anfertigen.
Waren durch die Affäre inspiriert einzigartige Gemälde wie „Windsbraut“ entstanden, wurde der lebenslange Gegner der abstrakten Malerei nach dem Kieg ein international gerühmter Maler. Und wurde im Dritten Reich nicht nur als „Kulturbolschewist“ angefeindet sondern seine Werke schließlich als „entartete Kunst“ beschlagnahmt und vernichtet. Der geradezu labyrinthische Weg führte Kokoschka dann über Jahre ins Exil, von einem aber konnten ihn weder Schmähungen noch Vertreibung abbringen: von seiner verbissen durchgehaltenen humanistischen Haltung.
Der Biograf geht darauf wie auch auf Kokoschkas bis zuletzt wache Wahrnehmung allen Politischen ein. Vom Bürgerschreck und Hungerleider zum hochgeehrten und wohlhabenden Weltbürger erwuchs er zum Jahrhundertkünstler. Görner bietet aus dieser einzigartigen Vita manch überraschende und teils sogar bizarre Details, während er sich mit neuen Analysen zurückhält.
Fazit: eine hervorragende Biografie, die vor allem durch die Würdigung beider künstlerischer Talente überzeugt. Als echter Mangel erweist sich – zumal eingedenk des relativ hohen Buchpreises – das gänzliche Fehlen von Abbildungen, die die Zuordnung prägender Gemälde deutlich erleichtert hätte.

# Rüdiger Görner: Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler; 351 Seiten; Paul Zsolnay Verlag, Wien; € 28

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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