OLIVER PÖTZSCH: DER
SPIELMANN
Der Ur-Faust ist die wohl berühmteste deutsche Sage und die Dichter Christopher Marlowe
und Johann Wolfgang von Goethe machten unsterbliche Dramen aus dem Leben dieses
ruhmsüchtigen rastlosen Menschen, der sich angeblich mit dem Teufel einließ um des
grenzenlosen Erfolges willen.
Oliver Pötzsch, bekannt für seine vielen erfolgreichen Historienromane vor realem
Hintergrund, hat sich nun der vermutlich tatsächlich einst existierenden Person des Faust
angenommen. Unter dem Titel Der Spielmann weist der Untertitel
unmissverständlich darauf hin: Die Geschichte des Johann Georg Faustus. Den
seine kränkliche Mutter angeblich den Glücklichen nannte, wogegen sein Vater
wenig von ihm hielt.
Schon der fulminante Eröffnungssatz des Pologs lässt ahnen, dass Pötzsch hier starken
Tobak aufbereitet hat: Im Herbst, als die Kinder verschwanden, kamen die Gaukler in
die Stadt. Es ist das Jahr 1486, das Städtchen ist das beschauliche Knittlingen im
Kraichgau. Und dort sieht der achtjährige Johann Georg, wie eine Gauklertruppe auf den
Marktplatz zieht, von deren Treiben er im Nu gefesselt ist.
Allen voran bannt ihn Tonio del Moravia, der charismatische Spielmann und Magier mit den
stechenden schwarzen Augen. Der aber liest dem Jungen aus der Hand und sagt ihm eine
große Zukunft als Gelehrter voraus. Als der inzwischen fast erwachsene Johann dem
Zauberer acht Jahre erneut begegnet, schließt er sich dem Gaukler mit Tatendrang und
unbändigem Wissensdurst an und lernt zunächst die Tricks und Spielereien, die
herumziehende Gaukler nun einmal für ihren Lebensunterhalt benötigen.
Doch Johann wird bald auch zum Lehrling und Studiosus, der durchaus ahnt, dass der
unheimliche Tonio unerklärliche Fähigkeiten hat, als stünde er mit dunklen Mächten im
Bunde. Dennoch hält sich Johann nicht fern von ihm, lässt sich vielmehr immer mehr auf
Tonios düstere Faszination ein und wird dabei selbst zum hemmungslosen Gelehrten. Was in
diesen Zeiten, in denen naiver Gottesglaube und primitiver Aberglaube die Menschen
gleichermaßen auf ungute Weise beherrschen, allerlei Gefahren heraufbeschwört.
Die Grundzüge der Faust-Sage werden hier fast in der Art eines Mystery-Thrillers zu einem
prallen Historienroman, der vor allem auch durch sein Zeit- und Lokalkolorit zu fesseln
versteht. Es sind starke Charaktere, die hier vor authentischem Hintergrund agieren und
nach all dem opulenten Lesevergnügen kommt schließlich der gemeine Schluss: es wird
nicht die gesamte Geschichte des Faust erzählt, vielmehr wird es mit Der
Lehrmeister im Herbst einen Nachfolgeroman geben.
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