ELIZABETH GEORGE: WER STRAFE
VERDIENT
Seit 30 Jahren gibt es die Inspector-Lynley-Romane und mit Wer Strafe verdient
legt Erfolgsautorin Elizabeth George jetzt den mittlerweile 20. Fall vor. Allerdings
Lynley selbst spielt erst einmal gar keine Rolle, seine getreue Assistentin
Detective Sergeant Barbara Havers dagegen um so mehr.
Im idyllischen mittelalterlichen Städtchen Ludlow (gibt es wirklich und ist wirklich sehr
idyllisch!) im sehr ländlichen westenglischen Shropshire wird an einem ungemütlichen
Wintertag in der unbesetzten Polizeistation die Leiche von Ian Druitt gefunden. Ganz
offensichtlich hatte sich der angesehene und sehr beliebte Diakon erhängt, nachdem man
ihn unter dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs verhaftet hatte.
Für den Staatsanwalt sind die fragwürdigen Umstände des Selbstmords indes keine
Strafsache sondern lediglich eine Disziplinarangelegenheit. Druitts Vater aber, ein
einflussreicher Unternehmer, glaubt weder an pädophile Neigungen noch den Freitod seines
Sohnes. Über einen Parlamentsabgeordneten erreicht er, dass sich nun tatsächlich
Scotland Yard einschaltet,
Der zuständige Commissioner sieht in dem lästigen Fall die Möglichkeit, gleich zwei
unliebsamen Kriminalbeamtinnen etwas einzubrocken, das ihre Karrieren beim Yard beenden
könnte. So bekommt die schon in vorherigen Romanen unangenehme DCS Isabelle Ardery die
Anweisung, sich mit DS Barbara Havers nach Ludlow zu begeben.
Erwartungsgemäß knirscht es mächtig zwischen der alkoholfreudigen Ardery, die wegen
ihrer Scheidungs- und Sorgerechtsprobleme sowieso besonders kratzbürstig ist, und der
braven Havers. Durch allerlei Provokationen kommt ihr sogar ihr sonst so sicheres
Bauchgefühl abhanden. Doch die Ungereimtheiten, die sie immerhin aufdeckt, ignoriert ihre
Vorgesetzte. Und Ardery nötigt sie anschließend sogar, einen wichtigen Aspekt der
Ermittlungen aus dem Bericht zu streichen.
Nur mit Mühe gelingt es Havers, DI Lynley von ihren vagen Verdachtsmomenten zu
überzeugen. Als die Beiden dann doch nach Ludlow fahren, kommt es endlich zu gründlichen
Untersuchungen. Und die offenbaren einen ganze Fächer von Ansatzpunkten, seien es die
Hilfspolizisten der Stadt, seien es die wilden Ausschweifungen der Studenten oder das
Verhalten ganz normaler Bürger.
Anscheinend hat fast jeder hier etwas zu verbergen und das Lügen spielt eine ganz große
Rolle. In bewährter Manier führt die US-Autorin, die sich einmal mehr bestens auch mit
einer englischen Kleinstadtidylle wie der von Ludlow vertraut gemacht hat, auf falsche
Fährten. Wer Strafe verdient ist ein gewaltiger, komplexer Roman, der erst
langsam Fahrt aufnimmt und dennoch bis zuletzt auf hohem Niveau fesselt.
Sehr gediegen Details, eine Fülle fein ausgeleuchteter Charaktere und schließlich laufen
die Fäden raffiniert und mit einigen Überraschungen zusammen. Fazit: ein großes
Lesevergnügen für alle Freunde gepflegter sehr britischer Krimis.
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