ORHAN PAMUK: ISTANBUL -
ERINNERUNGEN UND BILDER AUS EINER STADT
Orhan Pamuk hatte schon einige erfolgreiche Romane verfasst, der Literatur-Nobelpreis aber
wurde ihm 2006 quasi als einer Art hochkarätigem Stadtschreiber verliehen. Sein
autobiografisches Buch Istanbul Erinnerungen an eine Stadt rühmte die
Jury als Meisterwerk mit neuen Sinnbildern für Streit und Verflechtung der Kulturen in
einer Metropole.
Pamuk erzählte vom Goldenen Zeitalter seiner Heimatstadt und zwar aus jenen Jahren, als
die Familie in Sichtweite des Bosporus lebte. Ebenso intelligent wie warmherzig schildert
er all die Erinnerungen aus Kindheit und Jugend von den 50er bis in die frühen 70er
Jahre. Eine ganz alte Weltstadt voller kultureller Veränderungen und in einem endlosen
Widerstreit zwischen Vergangenheit und Moderne und geprägt von einem einzigartigen
kosmopolitischen Flair.
Über allem aber sieht Pamuk auch diese kollektive Melancholie, die einfach zur
Alltagskultur der Millionenstadt gehört und ihre Menschen prägt. Die Seele einer solchen
Stadt selten gelingt es einem Schriftsteller, sie so grandios zu beschreiben. Nun
aber wird das preisgekrönte Buch um eine neue Dimension erweitert zu dem Prachtband
Istanbul Erinnerungen und Bilder aus einer Stadt.
All die Plätze, den Bosporus mit seinen dicke Rauchwolken ausstoßenden Fähren, die
große Einkaufsstraße Istiklal Caddesi, die alte Straßenbahn im Schneegestöber,
Handwerker, Arbeiter und einfache Leute auf der Straße all das hat der
weltberühmte Fotograf Ara Güler (1928-2018) mit seiner Leica in einzigartigen
Schwarzweißbildern festgehalten. Niemand hat wie er das Alltagsleben mit solchem
Realismus und mit so viel Liebe zum Detail festgehalten wie er.
Hier nun verbinden sich die Erinnerungen des Schriftstellers kongenial mit den vielfach
ausgezeichneten Fotos Gülers. Unter Beifügung weiterer Aufnahmen von Henri
Cartier-Bresson sowie vom Autor selbst aus jungen Jahren ist das ursprüngliche Buch um
über 200 Seiten mit insgesamt 450 Fotos angewachsen zu einem Istanbul-Buch wie kein
zweites.
PS: Der Verfasser dieser Rezension kann die Faszination des Fotomaterials wie natürlich
auch des Geschriebenen insofern bestätigen, als er Istanbul Anfang der 70er Jahre genauso
erlebt hat. Einschließlich der hinreißenden Fährenfahrten zwischen europäischem und
asiatischem Teil auf alten Pötten (großenteils Made in Germany aus dem 19.
Jahrhundert!), denn der Bau der Bosporusbrücke wurde eben erst begonnen.
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