STEPHEN FRY: „MYTHOS“


Die Sagen der klassischen griechischen Mythologie haben schon immer fasziniert und das, obwohl sie von hehren Geisteswissenschaftlern oft eher betulich in moderne Sprachen übertragen wurden. Dabei sind diese Götter- und Heldensagen ein Reigen von Zügellosigkeit, Lebenslust, Mord und Totschlag, Triumph und Tragödie.
Um so größer ist das Vergnügen, wenn sich ein solcher Meister von Sprache und Humor wie der exzentrische englische Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Stephen Fry an das Gros der griechischen Mythologie wagt, um es gewissermaßen entschlackt neu zu erzählen. „Mythos. Was uns die Götter heute sagen“ lautet der Titel und es sei vorweg Entwarnung gegeben: nein, man muss nicht furchtbar vorgebildet sein, um dieses Buch genießen zu können.
Und ja, Fry sorgt für hinreißende Unterhaltung, schließlich waren die Götter launenhaft, oft exaltiert, eifersüchtig und gerne rachsüchtig und all das kommt hier deftig zum Zuge. Dabei erklärt der Autor nicht, er erzählt und das charmant und elegant satirisch. Schon zum Beginn des Universums, das nach altgriechischer Meinung aus dem Chaos geboren wurde – also einer Art „kosmischem Gähnen?“ - wird klargestellt, dass hier die gängige Überlieferung nicht in Zweifel gezogen werden soll: „Ich war nicht dabei. Sie auch nicht.“
Es sind ja die größten Geschichten, die jemals erzählt wurden und die berühmtesten Dichter inspirierten. Fry stellt sie mit spitzer Zunge vor, ändert sie nicht, doch der Ton und die despektierliche Offenheit machen sie zu einem frischen frechen Vergnügen. Wenn es dazu zum Beispiel vor der Kastration des mächtigen Kronos heißt: „Die schrecklichen Laute, wenn eine Gottheit lustvoll platscht, sabbert und grunzt, schienen darauf hinzudeuten, dass sein Vater so etwas wie ein Vorspiel im Sinn hatte.“
Sie sind großartig und mächtig, diese Götter und Halbgötter, dabei menschelt es so herrlich. Von Beginn an sind sie eine herrschsüchtige und mordlüsterne Bagage und kein bisschen zimperlich in der Wahl ihrer Mittel. Und erwartungsgemäß läuft Göttervater zu besonders lebendiger Form auf: „Wenn sein voller Terminkalender es erlaubte...“
Genüsslich und süffisant breitet Stephen Fry dieses unerschöpfliche Füllhorn von Sagengeschichten im Ton eines klugen und eloquenten Märchenonkel aus. Er verfälscht sie nicht, haucht ihnen gleichwohl ganz viel neues Leben ein. Fazit: ein solch vergnüglicher und zugleich informativer Geschichtsunterricht ist ein wahre Schatztruhe.

# Stephen Fry: Mythos. Was uns die Götter heute sagen (aus dem Englischen von Matthias Frings); 446 Seiten, div. Abb; Aufbau Verlag, Berlin; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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