SIEGFRIED LENZ:
DEUTSCHSTUNDE
Zum 50-jährigen Jubiläum gibt es eine Neuauflage eines der wichtigsten Bücher der
Nachkriegszeit: Deutschstunde, der Millionenerfolg von Siegfried Lenz
(1926-2014) von 1968. Während die Studenten für mehr Demokratie und gegen den
Vietnam-Krieg, aber auch gegen das Schweigen der Elterngeneration über den Zweiten
Weltkrieg demonstrierten, schrieb Lenz genau hierzu einen Schlüsselroman von Weltrang.
Konzentriert auf Einzelschicksale, lässt der Autor Siggi Jepsen Anfang der 50er Jahre als
Insasse einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche an einer Aufgabenstellung
verzweifeln. Im Deutschunterricht soll er einen Aufsatz zum Thema Die Freuden der
Pflicht schreiben. Störrisch gibt er unbeschriebene Blätter ab. Allerdings nicht,
weil er nichts dazu zu sagen hätte, ganz im Gegenteil.
Man kommt ihm entgegen, er soll das, was ihn so übervoll zu diesem Thema bewegt,
niederschreiben. Und er schreibt Heft um Heft voll, bleibt sogar freiwillig länger in der
Anstalt als nötig. Sie müssen raus, aufs Papier, all diese Erinnerungen aus Kindheit und
Jugend von Siggi Jepsen, aufgewachsen in einem Dorf in Schleswig-Holstein, wo Vater Jens
Ole Jepsen als nördlichster Polizeiposten Deutschlands Dienst tat.
Das aber mit genau dem pflichtversessenen Eifer, der ein tragendes Element des
Nazi-Regimes war. Eher unpolitisch, führte er doch jeden Befehl buchstabengetreu aus.
Auch als er ausgerechnet seinem Freund Nansen, dem berühmten expressionistischen Maler
und offenbar Emil Nolde nachempfunden das Malverbot der Reichskulturkammer
überbringen musste.
Seine Dienstbeflissenheit ging so weit, dass er die Einhaltung nicht nur strengstens
überwachte, sondern sogar den kleinen Siggi dazu anstiftete, Nansen zu bespitzeln. Was
den Jungen in größte Loyalitätskonflikte stürzte, denn er mochte Nansen und er
bewunderte dessen Schaffen. Und nun wurde er Zeuge eines bitterernsten Ringens zwischen
ihm und seinem unerbittlichen Vater.
Lenz schuf mit dieser Geschichte einen Meilenstein der deutschsprachigen Literatur, der
Mechanismen entlarvte, wie sie für eine Diktatur unverzichtbar sind. Das aber zugleich
mit einer zeitlosen Gültigkeit.
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