KAT GORDON: „KENIA VALLEY“


Am Anfang steht der Mord an einer jungen Frau, von der man jedoch nicht erfährt, wer sie ist. Um so prächtiger entfaltet sich dann das paradiesisch schöne Kenia, durch das der faszinierte knapp 15-jährige Theo Miller mit dem Zug fährt.
Man schreibt das Jahr 1925 und es ist die Eisenbahn nach Nairobi, die sein Vater einst gebaut hat und jetzt als Direktor leitet. Mit Theo reisen seine drei Jahre jüngere Schwester Maud und die bildschöne aber launische Mutter, deutlich jünger als sein Vater. Damit beginnt Kat Gordons opulenter neuer Roman „Kenia Valley“
Wie berauscht erlebt Theo diese exotische neue Welt mit allen Annehmlichkeiten des Briten, der zum Establishment der Kolonialmacht gehört. Und ganz früh betört ihn die hinreißende Sylvie, die Geliebte des schottischen Grafen Hamilton. Dieser anderweitig verheiratete Freddie mag deutlich älter sein, der Lebemann lässt gleichwohl wohlwollend zu, dass Theo trotz seiner Jugend recht bald schon in die Kreise der Kenia Valley Clique hineinschnuppern darf.
Die Autorin kennt Ostafrika aus eigener Anschauung, um so authentischer und detailgenauer sind ihre Schilderungen der kolonialen Welt der 20er Jahre, die zumindest für jene, die auf der „richtigen“ Seite und dann noch hoch auf der gesellschaftlichen Leiter leben, ein farbenfrohes, mondänes und unbeschwertes Leben bietet. In selbstverständlicher Überheblichkeit genießen die Selbstverliebten die ausladende Schönheit des Landes, dieser Happy Valley Set allerdings in höchst exaltierter und frivoler Weise.
Bald erlebt Theo mit der Clique von Freddie und Sylvie exzessive Alkohol- und Drogengelage mit regelrechten Orgien sexueller Freizügigkeit. Natürlich ist der Pubertierende hingerissen von all diesen Ausschweifungen und niemand bremst ihn. Der Vater ist beruflich meist abwesend und die Mutter seltsam desinteressiert an allem. Einzig Schwester Maud ist ein kleiner emotionaler Orientierungspunkt in seinem flirrenden Leben.
In seiner grenzenlosen Verliebtheit in Sylvie lässt sich Theo im Zusammenhang mit ihr und ihrem zügellosen Partner auf allerlei Spielchen und Intrigen ein und hat kein Gespür für die Oberflächlichkeit und verderbte Moral dieser Scheinwelt. Um so weniger, als die so heftig Begehrte schließlich erstmals in seinen Armen liegt.
Doch es kommt die Zeit seines Studiums im heimischen Schottland und ebenso die Sehnsucht nach dem Taumel der Jugendjahre. Weshalb er in den 30er Jahre zurückkehrt in ein Kenia, das anders geworden ist, vor allem ernster. Die weiße Kolonialherrschaft scheint einiges von ihrer ohnehin nur scheinbaren Leichtigkeit verloren zu haben und selbstverständlich ist sie längst nicht mehr.
Freddie ist inzwischen Vertreter des faschistischen BUF (den es wirklich gab!) geworden und auch sonst hat sich die Haltung der Kolonialherren wie auch der Eingeborenen geändert bis hin zu Freiheitsbestrebungen. Theo aber lässt sich schon wegen Sylvie auf Freddies Tiraden ein, wogegen Maud sich aktiv für die Rechte der Einheimischen engagiert.
Alles ist ernster aber auch intensiver geworden, vor allem auch die Beziehung zwischen Theo und Sylvie, obwohl er offiziell mit der hübschen jungen Lucy liiert ist. Das Geschehen treibt in dramatische Ereignisse für alle Protagonisten und vom Happy Valley Set bleiben schließlich – es geht auf das Ende der 30er Jahre und nicht nur im fernen Europa auf düstere Zeiten zu – nur noch schale Erinnerungen.
Das Alles von Ich-Erzähler Theo erzählen zu lassen, diese Gratwanderung ist Kat Gordon ebenso exzellent gelungen wie diese sehr eigene Atmosphäre von Kolonialwelt und afrikanischem Zauber bildhaft darzustellen. Dieser Reigen sehr realistisch wirkender Ereignisse und Verwicklungen erinnert in vielem und eben auch in seinen literarischen Qualitäten an Tania Blixens einstigen Welterfolg „Jenseits von Afrika“ - ein größeres Kompliment kann man Kat Gordons Roman wohl kaum machen.

# Kat Gordon: Kenia Valley (aus dem Englischen von Mayela Gerhardt); 431 Seiten; Atlantik Verlag, Hamburg; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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