JAN BÖTTCHER: „DAS KAFF“


Eigentlich wollte Michael Schürtz nie wieder zurück in die Kleinstadt in der norddeutschen Tiefebene, die für ihn nur das enge spießige Kaff von Kindheit und Jugend war. Nun treibt es den aus seiner bisherigen Firma in Berlin quasi herausgemobbten Architekten aber genau dort hin: als Bauleiter eines Investorenunternehmens soll er ein Neubauprojekt mit 16 Häusern betreuen.
„Das Kaff“ lautet denn auch der Titel des mittlerweile fünften Romans von Jan Böttcher, der im Übrigen selbst aus einer vergleichbaren Kleinstadt stammt. Der ungebundene Mittvierziger Micha bezieht erst einmal das Haus seines früheren Schulkameraden Gregor, der einen Auslandsaufenthalt vor sich hat. Auch wenn er sich innerlich dagegen sperrte – im Handumdrehen sind die Kontakte zu Freunden und Bekannten von damals wieder da.
Widerwillig erlebt er den Kontakt mit dem hier fest verwurzelten profilierungssüchtigen Bruder, den er noch nie sonderlich mochte. Wogegen die mit einer Freundin zusammenlebende Schwester ihm mit ihrem Sozialtick eher nur auf die Nerven geht. Schneller als gedacht entgleitet ihm die so lange gepflegte Distanz zum Kaff und seinen Bewohnern. Er lässt sich sogar ohne wirklichen Widerstand zum Trainer für die C-Jugend von Rot-Weiß, seinem früheren Fußball-Club, machen.
Mit ungeahnten Folgen, denn dadurch begegnet er auch der alleinerziehenden Spielermutter Carla. Mit der rothaarigen Bewohnerin des vom ihm betreuten Neubauprojekts bahnt sich schnell eine bald enger werdende Beziehung an. Und immer mehr weicht die Großstadt aus dem Nestflüchter und mit all den Alltäglichkeiten breitet sich die Normalität der Provinz in ihm aus. Nicht herbeigesehnt, nicht wirklich geliebt, doch unentrinnbar mit all ihren Ritualen.
Michael Schürtz ist bei all dem ein durchaus nicht sympathieheischender Ich-Erzähler, eher ein Durchschnittstyp mit allerlei Selbstwidersprüchen. „Das Kaff“ ist eine Art Tragikomödie, die immer wieder durch das Absurde im Normalen schmunzeln lässt. Dieser unsentimentale moderne Heimatroman kommt dabei ganz unaufgeregt daher und blickt mit schonungsloser Lässigkeit tief in die gegenwärtigen deutschen Befindlichkeiten. Zumindest jedenfalls die der Provinz.

# Jan Böttcher: Das Kaff; 267 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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