SINCLAIR LEWIS: „MAIN STREET“


Wer sich immer noch schwertut zu verstehen, wieso Donald Trump US-Päsident werden konnte und wer ihn maßgeblich ins Amt brachte, der sollte einen fast 100 alten Klassiker der Weltliteratur lesen: „Main Street“ von Sinclair Lewis (1885-1951) von 1920.
Selbst in einer typischen erzkonservativen Kleinstadt im ländlichen Minnesota geboren, lässt der Literaturnobelpreisträger von 1930 diesen satirischen Roman in Gopher Prairie spielen, seinem Geburtsort überaus ähnlich. Hierher verschlägt es Carol, die großstädtisch aufwuchs und das College besuchte. Frustriert von ihrem Beruf als Bibliothekarin, heiratet sie Will Kennicott.
Der ist zwar Arzt, aber im Herzen das Landei geblieben, das er von klein auf war. Carol lässt sich von ihm überreden, in seine Heimatstadt Gopher Prairie zu ziehen. Eine spießige Kleinstadt, deren altbackene Schlagader die Hauptstraße darstellt, eben die titelgebende Main Street, wie es sie in Hunderten von ähnlichen Orten im ländlichen Amerika gibt.
Mit naivem Idealismus versucht die moderne junge Frau gegen das lokale Hinterwäldlertum anzukommen, stößt jedoch wieder und wieder auf Mauern der selbstbeschränkten Ignoranz und auf Menschen, die obendrein bis zum Stumpfsinn patriotisch sind. Carols neue Ideen kommen nicht nur ganz schlecht an, die Kleinstädter fühlen sich sogar bedrängt und schlagen böse zurück. Die Einzigen, die sich auf Carols Seite schlagen, sind die sozialen Randfiguren, was noch weniger hilfreich ist.
Im Übrigen fällt auch Ehemann Will ganz und gar zurück in das Spießertum seiner Herkunft und will in seiner stumpfen geistigen Unbeweglichkeit auf keinen Fall aus der Reihe tanzen. Das Alles spielt in der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs und reicht bis in die Frühzeit der Prohibition. Abgesehen von der kommt einem alles merkwürdig bekannt vor, vergleicht man es mit den heutigen Gesellschaftsschichten, die das Trump-Amerika ganz wesentlich ausmachen.
Ein so alter Roman auf der Höhe der Zeit und ein literarischer Hochgenuss war er schon damals. Für die Neuausgabe wurde die ohnehin hervorragende Übersetzung von Christa E. Seibicke noch einmal aktualisiert. Zudem gibt es über 250 Stellenkommentare zum besseren Leseverständnis. Ein funkelndes Nachwort lieferte im Übrigen mit Heinrich Steinfest ein wahrer Bruder im Geiste von Sinclair Lewis. Fazit: eine zeitlos grandiose Satire und ein Hochgenuss für jeden anspruchsvollen Leser.

# Sinclair Lewis: Main Street (aus dem Amerikanischen von Christa E. Seibicke/Nachwort Heinrich Steinfest); 1002 Seiten; Manesse Verlag, München; € 28

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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