TOM SALLER: WENN MARTHA
TANZT
Treuer Enkel findet im Nachlass seiner verstorbenen Großmutter eine Kunstsensation.
Die Fachwelt hält den Atem an. So lauten die Schlagzeilen und der junge Mann heißt
Thomas Wetzlaff, in diesem September 2001 unterwegs in New York City, um eben diesen
Schatz für Millionen bei Sotheby's versteigern zu lassen.
Das ist der Einstieg zu Tom Sallers Debütroman Wenn Martha tanzt. Diese
Martha war Thomas' Urgroßmutter und um das Tagebuch der jungen Frau mit den
Sonderbegabungen geht es. 1900 wird sie als Tochter eines Kapellmeisters im pommerschen
Dörfchen Türnow geboren.
Der Vater ist erst unglücklich über das vermeintliche Fehlen jeglicher Musikalität bei
dem Mädchen. Martha aber sieht die Töne als geometrische Formen. Immerhin
lässt der Vater sie gewähren und unterstützt sie sogar, als sie 1919 zur neuartigen
Kunstschule Bauhaus in Weimar gehen will. Dort ist sie umgeben von illustren
künstlerischen Köpfen wie Paul Klee und Wassily Kandinsky. Während sie eifrig
Tagebucheintragungen macht, verewigen sich immer wieder Künstler am Bauhaus mit Skizzen
und Zeichnungen auf etlichen Seiten der Kladde. Bevorzugt von Martha beim Tanzen nach
ihren eigenen gezeichneten Choreografien.
1925 fährt sie heim, schwanger nach einer Liebesnacht mit einem Studenten, den sie jedoch
nie wiedersieht. Zu jener Zeit ist es nicht leicht als ledige Mutter, doch sie zieht ihre
Hedwig allein auf und die wird später ihre erste Tanzschülerin. Diese Hedwig wurde 1945
auf der Flucht von ihrer Mutter getrennt und später Thomas Wetzlaffs Großmutter.
Geblieben war ihr ein Koffer, in dessen Geheimfach das so überwältigende Tagebuch
versteckt war.
Der Urenkel zweifelt zunächst an der Echtheit all dieser Signaturen von Berühmtheiten
unter den Skizzen. Es stellt sich jedoch alles als ebenso wahr heraus wie Marthas Zeit als
Studentin in Weimar. Und ihre wichtige Begegnung mit der Fotografin Ella Held, deren
Bedeutung sich allerdings erst später offenbart.
Der in lakonisch knapper Sprache verfasste Roman endet mit einigen Überraschungen, wo er
begonnen hat, in New York City. Man spürt durchgehend das Fingerspitzengefühl des Autors
für die fiktiven wie auch die historischen Figuren, die er da als hauptberuflicher
Psychotherapeut gezeichnet hat. Fazit: ein feines Stück Literatur mit subtilem
Spannungsbogen.
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