DROR MISHANI: DIE SCHWERE
HAND
Auch der neue Roman des israelischen Erfolgsautors Dror Mishani ist einerseits ein Krimi,
andererseits aber weicht auch der dritte Fall von Oberinspektor Avi Avraham stark von
gängigen Mustern des Genres ab. Als Grübler und melancholischer Sturkopf macht er sich
immer wieder selbst das Leben schwer.
In Die schwere Hand muss er erstmals als Leiter der Ermittlungsabteilung im
Polizeidistrikt Cholon-Ayalon einen Mordfall aufklären. Was umso unangenehmer beginnt,
als er das Opfer kennt. Diese 60-jährige Lea Jäger war vor zwei Jahren vergewaltigt
worden. Der Unhold sitzt allerdings noch seine Strafe ab. Die Umstände der Tat erscheinen
recht rätselhaft, einige Kollegen aber nehmen unnachgiebig den Sohn des Opfers ins
Visier.
Ohnehin herrscht einige Disharmonie im Team und so tut sich Avi schwer mit seiner vagen
Spur. Ein Hausbewohner will direkt nach der Tatzeit er hörte Kampflärm
einen Polizisten das Haus verlassen gesehen haben. Von einem irgendwie gearteten Einsatz
aber ist nichts bekannt. War der Mörder ein Polizist? Oder jemand, der sich als solcher
eingeschlichen hat?
Parallel kommen die Misshelligkeiten zwischen der jungen Bankangestellten Mali Bengtson
und ihres arbeitslosen Ehemanns Coby ins Spiel. Der Haussegen hängt quälend schief und
der gebürtige Australier, dessen Ambitionen auf Geheimdienst und dergleichen kläglich
scheiterten, wird immer erratischer. Dabei will Mali ihm endlich erzählen, dass das
dritte Kind unterwegs ist.
Doch sie hängt trotz allem an ihm, zumal er sich vorbildlich verhalten hat, als sie vor
zwei Jahren bei einem Betriebsausflug vergewaltigt wurde. Der Täter konnte unerkannt
fliehen, sie aber leidet seitdem unter allerlei Ängsten und Kontrollzwängen. Ein anderes
Vergewaltigungsopfer, Diana Goldin, aber sorgt dafür, dass Oberinspektor Avraham sich in
die Theorie verbeißt, da laufe jemand in Polizeiuniform herum, der sich aus
unerfindlichen Gründen bei Frauen mit solchen Erlebnissen einschleicht und sie zu
detaillierten Schilderungen des Geschehenen drängt. Der Fall entwickelt sich immer
komplexer und irgendwann gerät auch Coby Bengtson ins Visier der Polizei.
Das Alles lebt nicht von Action sondern von schwieriger Ermittlungsarbeit, bei der Avi
durchaus auch Fehler unterlaufen. Sogar derartig folgenreiche, dass es am Ende zu einer
regelrechten Tragödie kommt. Ohnehin neigt der Autor eher zum nachdenklichen Krimi mit
Reminiszenzen an die legendären Kommissare Maigret und Wallander, wozu auch das nicht
ganz unbelastete Privatleben Avis mit der Belgierin Marianka gehört.
Mishani schreibt mit viel psychologischem Gespür und dem expliziten Ziel des
literarischen Krimis. Das gelingt ihm hervorragend und dazu zählt auch, dass
viel typisches israelischen Alltagsflair fern von Politik, Palästinenserproblemen und
dergleichen in diesen anspruchsvollen Roman einfließt.
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