JULIA SCHOCH: SCHÖNE SEELEN
UND KOMPLIZEN
In jedem Leben gibt es wahrscheinlich nur ein wirkliches Großereignis. Für
Lýdia, Stefanie, Ruppert, Alexander und etliche weitere Schüler des Potsdamer
Kollwitz-Gymnasiums ist das ihrige im Sommer 1989 trotz gewisser Unruhe durchaus noch
nicht abzusehen.
Wie sie diesen Sommer, dann aber auch Mauerfall und Wende erleben, daraus hat
Erfolgsautorin Julia Schoch ihren neuen Roman Schöne Seelen und Komplizen
entstehen lassen. Anfangs nähern sich die 16-, 17-Jährigen dem Abitur, noch hält
Direktor Simizeck seine ausufernden Propagandareden und für die meisten der Schüler
scheint das Leben nach Abi und Studium bis hin zur Rente ziemlich vorhersehbar zu sein.
Viele individuelle Blicke in die Leben der Einzelnen gibt es, manches ist wenig
spektakulär. Freunde, Ärger mit Eltern, erste Liebe wie auch der ein oder andere
Indoktrinierungsversuch seitens der Lehrer gestalten sich zu einem sehr lebensnahen
Puzzle. Doch der erste Teil des Romans erstreckt sich ja bis 1992 und für die meisten
kommt darin quasi ohne echte Vorwarnung der große Umbruch.
Da verschwindet der Genosse Direktor, Lehrer kommen mit Gegenwart und Zukunftsaussichten
nicht mehr klar und in etlichen Familien wird vieles durcheinandergewirbelt. Manche
Schüler mucken jetzt auf, doch es gibt auch den Selbstmordversuch von Rebekka und einige
empfinden mehr oder weniger Furcht vor der plötzlich unkanalisierten Zukunft. Und es gibt
die wenigen, die das alte System vehement verteidigen und nicht verstehen, wie man sich
freiwillig für die soziale Unsicherheit entscheiden könne.
Dann aber springt das Geschehen um 25 Jahre weiter und zeigt - wieder in sehr
individuellen Puzzlestücken - wie sich diese erste Generation, zu deren Reifeprüfung
auch die Entlassung in ein nicht mehr gleichgeschaltetes Leben gehörte. Es sind erneut
Entwicklungen, wie sie das Leben allgemein bietet, denn jeder ist auf seine sehr eigene
Weise in der neuen Gesellschaft angekommen und hat sie genutzt.
Typisch auch das Klassentreffen zum Jubiläum, zu dem nur ganze sieben Ehemalige
erscheinen. Die Einblicke zeigen eifrig Erfolgreiche ebenso wie Desillusionierte. Oder die
ganz Normalen, die ihr Reihenhäuschen genießen oder eine gescheiterte Ehe zu
verschmerzen haben. Auch hier aber reißt nichts Spektakuläres mit was auch genau
das Manko dieser insgesamt interessanten Versuchsanordnung ist.
Da hätte man sich einen richtigen Spannungsbogen statt des zuweilen geradezu ziellosen
Puzzles gewünscht, bei dem selbst die Zuordnung der einzelnen Charaktere nicht immer auf
Anhieb gelingen will. Das Alles ist nett zu lesen, doch nett heißt hier leider zu oft
auch nur unaufgeregt bis zur Belanglosigkeit.
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