MICHAEL CONNELLY: „EHRENSACHE“


Nun liegt der 20. Fall um den knorrigen Ermittler Harry Bosch vor und überrascht mit ganz neuen Seiten. Harry wurde nach 30 Jahren in die Zwangspension geschickt, die Klage dagegen läuft immer noch und er langweilt sich entsetzlich. Und dann sorgt sein Halbbruder Mickey Haller für eine besondere Versuchung.
„Ehrensache“ lautet der Titel und Krimi-Kultautor Michael Connelly widmet sich einem unverrückbaren Grundsatz für jeden Cop: niemals die Seite wechseln, um für die Strafverteidigung und damit zugunsten eines mutmaßlichen Straftäters zu arbeiten. Genau das aber versucht Haller ihm schmackhaft zu machen. Als gewiefter Strafverteidiger kämpft er einerseits für Harrys Pensionsansprüche, andererseits glaubt er, dass man seinem aktuellen Mandanten aus unerfindlichen Gründen einen Sexualmord anhängen will.
Dieser Foster war ein Krimineller, ist jedoch seit Jahren „sauber“ und führte ein bürgerliches Leben samt Familie. Nun wurde jedoch eine Frau in ihrem Haus brutal erschlagen und an und in ihrer Leiche finden sich Spermaspuren – von eben diesem Foster, der zudem kein brauchbares Alibi hat. Harry aber sträubt sich, in den Fall einzusteigen, denn das hieße ja, die Seiten zu wechseln. Obendrein ist der Ehemann der Toten auch noch ein ihm unbekannter Kollege aus dem LAPD (Los Angeles Police Departement).
Allerdings kann Haller, der legendäre „Lincoln Lawyer“
(aus Connellys Reihe der ebenfalls vielgerühmten Gerichtskrimis!), seinen Halbbruder zumindest dazu bewegen, die Ermittlungsakte zu lesen. Schließlich glaubt er entgegen allen vermeintlich unwiderlegbaren Beweisen, dass sein Mandant unschuldig ist. Und tatsächlich wittert Harry bald Ungereimtheiten.
Doch wie soll er die undenkbare Grenzüberschreitung vor sich selbst rechtfertigen? Mit dem hehrem Grundsatz jedes ehrlichen Cops: wenn Forster unschuldig ist, muss er herausfinden, wer es wirklich war und ihn unschädlich machen. Was der Auftakt zu einer immer rasanter werdenden Verbrecherjagd wird, denn erstens gibt es bald tote Zeugen und zweitens rücken mit Ellis und Long ausgerechnet zwei Cops vom LAPD in den Fokus.
Die beiden Ermittler vom Sittendezernat haben nicht nur ein ebenso perfides wie einträgliches Geschäftsmodell aufgebaut, sie erweisen sich auch als denkbar skruppelos. Und Harry gerät in äußerste Gefahr. Das Neue an diesem wie immer hervorragend konstruierten Fall ist diese erste konkrete Zusammenarbeit zwischen dem „hard-boiled“ Cop Harry Bosch und dem cvleveren Anwalt und dessen Arbeit vor Gericht.
Gerade dieser doppelseitige Blick von Ermittler- und Verteidigerseite einschließlich des Ganovenpares aus den eigenen Reihen verleiht dem schnörkellos gradlinigen Roman seine hohe Qualität als Polizeithriller.

# Michael Connelly: Ehrensache (aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb); 410 Seiten; Droemer Verlag, München; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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