MARK LEHNER/ZAHI HAWASS: „DIE PYRAMIDEN VON GIZEH“


Die zwei größten der ägyptischen Pyramiden stehen auf dem Gizeh-Plateau und in ihrer direkten Nachbarschaft vervollkommnen der Sphinx sowie die dritte, kleinere Pyramide des Mankaure bzw. Mykerinos das einzigartige Ensemble. Gebaut vor über 4000 Jahren, faszinieren sie noch heute und bergen noch immer manche Rätsel.
Seit über 200 Jahren widmen sich Wissenschaftler der Erforschung und Entschlüsselung und entrissen den Steinen, Hieroglyphen, Trümmern und Grabungsfunden zahlreiche Geheimnisse. Zwei der renommiertesten Ägyptologen, Mark Lehner und Zahi Hawass, haben nun die Früchte ihrer über 40-jährigen Forschungs- und Ausgrabungsarbeit in einem monumentalen Band unter dem schlichten Titel „Die Pyramiden von Gizeh“ zusammengefasst.
Der US-Amerikaner Lehner leitet seit den 70er Jahren Grabungen auf dem Plateau und gilt ebenso als führender Experte wie sein ägyptischer Kollege Hawass, der unter anderem auch als Generalsekretär der Altertümerverwaltung in Kairo tätig war. Nun liefern sie einen eindrucksvollen und höchst detaillierten Gesamtüberblick über die Zeugen aus der Hochzeit der Pharaonendynastien von ca 2575 bis 2150 v.Chr., von denen die Pyramide des Chufru – griechisch Cheops – das einzige noch existierende der legendären sieben Weltwunder der Antike ist.
Doch Beide, oft jeder für sich, haben weit mehr erforscht als nur die Bauten an sich. Welchem Zweck dienten sie und noch komplexer: wie haben die alten Ägypter das mit den bescheidenen technischen Mitteln ihrer Zeit bewerkstelligt? Lehner und Hawass sind durchaus nicht bei allen Interpretationen ihrer Forschungsergebnisse einer Meinung, hier aber sind sie sich einig, dass es die schon vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot behaupteten Armeen von ägyptischen Arbeitssklaven nicht gab.
Die beiden Experten gehen vielmehr von Heerscharen von entlohnten Arbeitern aus, für die es eigene Wohnstätten gab. Ihre Organisation erforderte eine ausgeklügelte Verwaltung und wurde zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung der altägyptischen Hochkultur. Dies unterfüttert einer der jüngsten spektakulären Funde durch Lehners Archäologenteam: die Schrift eines gewissen Merer, der als Vorarbeiter eines Bautrupps regelrecht Tagebuch führte und darin viele Details preisgibt.
Darin enthalten sind auch Angaben zu Kanälen, die die Arbeiter vom Nil zu den Pyramiden gruben, um die Millionen von Felsblöcken per Schiff zu den Baustellen zu transportieren. Doch die einzelnen Kapitel widmen sich ebenso dem Umfeld auf Gizeh wie den Grabmälern und Friedhöfen. Besonders erhellend für Kenner und interessierte Laien aber ergibt sich die Darlegung des großen Kontextes der Bauten auf dem Plateau, die einschließlich des Sphinx eben nicht als isolierte Einzelmonumente anzusehen sind, sondern offenbar für religiöse und gesellschaftliche Funktionen in dem Gesamtkomplex errichtet wurden.
Rätsel bleiben und manche Geheimnisse harren weiterhin der Entdeckung und Entschlüsselung, wie auch das abschließende Kapitel „Neues aus Gizeh“ mit dem neuesten Forschungsstand erläutert. All die Ausführungen, Grafiken, Karten sowie die Fülle von teils sehr alten Fotos ergeben ein einzigartiges Gesamtbild. Und mag auch Zahi Hawass als nicht ganz unumstritten gelten, so darf dieses opulente und spannend zu lesende Buch wohl zu Recht als das Standardwerk schlechthin zum Thema ägyptische Pyramiden eingeordnet werden.

# Mark Lehner/Zahi Hawass: Die Pyramiden von Gizeh (aus dem Englischen von Martina Fischer, Dr. Renate Heckendorf und Dr. Cornelia Hartz); 560 Seiten, über 450 Abb., Großformat; Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt; Einführungspreis € 99,95/ab 1.2.2018: € 129

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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