J. PAUL HENDERSON: DER VATER,
DER VOM HIMMEL FIEL
Dass jemand plötzlich und unvorhergesehen stirbt, dann aber von denen da oben
noch einmal eine Art Heimaturlaub zugestanden bekommt, ist keine wirklich neue Idee in
Film und Literatur. Dass man dennoch wunderbare neue Funken aus einer solchen
Konstellation schlagen kann, beweist J. Paul Henderson mit seinem zweiten Roman Der
Vater, der vom Himmel fiel.
Schon mit seinem Debüt Letzter Bus nach Coffeeville hatte der britische Autor
viel trockenen Humor mit Herz bewiesen. Hier aber läuft er zu noch größerer Form auf
mit einer Familie, die offenbar fast nur aus schwarzen Schafen besteht. Abgesehen von
Vater Lyle Bowman, der keineswegs betrunken war, als er schwer benebelt vor einen Bus
torkelte. Durch ein tragisches Missgeschick trank der 83-Jährige in einer Verschnaufpause
beim Malen im Haus das Terpentin- statt das Arzneiglas aus.
Die Trauerandacht bringt Familienmitglieder zusammen, die alle irgendwie nicht recht
miteinander harmonieren. Sohn Billy als verklemmte Type mit schwerer heimlicher
Psychomacke genießt wenig Achtung bei seiner hochnäsigen Frau. Tochter und
Schwiegermutter sind ebenfalls nicht eben sympathieheischend. Ein wahrer Troll aber ist
Onkel Frank, 80 Jahre alt, knorrig, ewiger JUnggeselle und auf solch schräge Weise
ehrlich und direkt, dass es immer wieder herzhaft peinlich wird.
Entgegen aller Erwartungen taucht dann aber auch noch Greg auf, Billys missratener Bruder.
Suff, Sex und Drogen ließen ihn nach seinem peinlichen Auftritt auf Billys Hochzeit vor
sieben Jahren endgültig in die USA entschwinden. Irgendwie typisch, dass er jetzt
verspätet, auf Flipflops und in Bermuda-Shorts in der Kirche erscheint. Obwohl die
Brüder trotzdem nicht gleich wieder in Streit geraten, nimmt Greg lieber umgehend
Unterschlupf im leerstehenden Elternhaus.
Das er ohnehin renovieren will, um es besser verkaufen zu können. Da hat er dann ein
Schockerlebnis: plötzlich steht Vater Lyle vor ihm! Der Verblichene ist zwar nicht
vollständig körperlich, aber vollständig nackt. Und er offenbart Greg Erstaunliches,
denn für 20 Tage Heimaturlaub darf er einem Angehörigen stundenweise erscheinen, um die
verqueren Familienverhältnisse in Ordnung zu bringen.
Um seine Blöße zu bedecken, greift Lyle allabendlich in den Kleiderschrank seiner früh
verstorbenen Frau und eröffnet so als Running Gag eine drollige Modenschau bis hin zum
gerüschten Ballkleid aus rotem Taft. Viel skurriler jedoch entwickeln sich nun die
Versuche von Vater und Sohn, den schrulligen Haufen ihrer Familie wieder geradezurücken.
Die durch die Macke verursachte aber bislang erfolgreich vor der Ehefrau verheimlichte
Arbeitslosigkeit Billys ist nur ein schwieriges Problem. Mindestens so skurril erscheint
Onkel Franks Tick, sich immer wieder als Täter fremder Raubüberfälle bei der Polizei zu
stellen. Bis Greg dämmert, welch raffinierte Strategie der herrliche Kauz damit verfolgt.
Schließlich träumt er schon lange davon, seine letzten Tage als zünftiger Cowboy in
Montana zu verbringen. Wenn er nur das nötige Geld dazu hätte...
Die täglichen Szenen werden gleichwohl allabendlich von den Begegnungen zwischen Vater
und Sohn an herzerfrischender Situationskomik überboten. Bis Greg auf ein weiteres
Familiengeheimnis stößt und an seinem so braven Vater eine ungeahnte Neigung entdeckt.
Mehr aber sei hier nicht verraten, denn diese Tragikomödie begeistert nicht nur mit ihrem
ebenso schrägen wie warmherzigen Witz, sie überrascht immer wieder auch mit spannenden
Wendungen.
Fazit: ein ganz großes, irgendwie himmlisches Lesevergnügen für Genießer.
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