SABRINA JANESCH: DIE GOLDENE
STADT
Nach offizieller Lesart war es der Amerikaner Hiram Bingham, der 1911 die alte Inka-Stadt
Machu Picchu wiederentdeckte. Doch es gibt Hinweise, dass deren Lage über dem
Urubamba-Tal schon in früheren Schriften angemerkt wurde und der tatsächliche Entdecker
war bereits 1876 der deutsche Einwanderer Augusto Rudolpho Berns.
Unzweifelhaft belegen Dokumente in der Biblioteca Nacional de Peru in Lima, dass dem 1842
im rheinischen Uerdingen (heute Krefeld) geborenen Sohn eines Weinhändlers mit seinem
amerikanischen Freund Harry Singer unter höchsten Strapazen die Entdeckung von El
Dorado gelang. Als Sabrina Janesch erst kürzlich mit dem
Anette-von-Droste-Hülshoff 2017 ausgezeichnet davon 2012 aus der Presse erfuhr,
brannte sie lichterloh.
Nach eigenen Peru-Reisen faszinierte sie dieser vergessene Entdecker und sie wollte seine
Geschichte schreiben. Nach langwierigen, sehr intensive Recherchen entstand aus der
Buchidee etwas, das man am ehesten einen literarischen Abenteuerroman kennen kann. Unter
dem Titel Die goldene Stadt erzählt die Erfolgsautorin in einem
appetitanregenden Vorabkapitel vom Weg zu diesem Buch, das sehr weitgehend vor realem
Hintergrund spielt. Und ihr Roman erinnert nicht nur wegen einer realen Szene zwischen dem
Schüler Berns und dem greisen Universalforscher Alexander von Humboldt in Berlin an
Daniel Kehlmanns ähnlich gearteten Welterfolg Die Vermessung der Welt.
Schon der Weg des Jungen, dessen intensive Fantasie und Wissbegierde gerade für die
Goldstadt der Inka lodert die Humboldt übrigens zum Hirngespinst erklärte
liest sich spannend. Warum er reißaus aus Deutschland nimmt, wie er mit Anfang 20
mittellos in Peru ankommt und 1866 in der Schlacht um Callao als Artillerieoffizier zum
unwillentlichen Helden wird. Und dabei vor allem dem Colonel Caceres das Leben rettet, mit
ungeahnten Folgen für ihn, denn der wird später Präsident Perus.
Vorerst aber verhilft ihm die Tat zu einer Anstellung beim Bau der peruanischen Eisenbahn.
Dabei geht es um die Bahnanbindung der in den Kordilleren gelegenen einstigen
Inka-Hauptstadt Cusco. Was ihn seinem noch immer leidenschaftlich verfolgten Traumort
recht nahe bringt. Bewegte Zeiten gehen einher mit lukrativem Landkauf und schließlich
dem Treffen Singers, den er für sein Projekt begeistern kann.
Hier folgen fesselnde Szenen, wenn die Beiden nach schweren Strapazen, die selbst für den
Leser geradezu spürbar werden, den Sehnsuchtsort finden, in unzugänglichem Gelände rund
75 Kilometer Luftlinie von Cusco entfernt. Späteren Behauptungen über Ausplünderungen,
die allerdings nie verifiziert wurden, steht der erste große Wermutstropfen der Entdecker
entgegen: Wenn das hier El Dorado ist, wo steckt dann das Gold?.
War also diese Inka-Festung gar nicht die schon zu Zeiten der spanischen Konquistadoren
sagenumwobene Goldstadt und gab es die vielleicht wirklich nie? Der zweite große
Wermutstropfen für Berns war die Tatsache, dass er die Entdeckung nicht hinlänglich
beweisen kann und diese auch mangels Artefakten auf völliges Desinteresse stößt. Was
die Beiden in die USA abreisen lässt, wo Singer in New York als modernster Stadt der Welt
beste Chancen sieht.
Berns jedoch ist völlig deprimiert und erst die Weiterreise nach Panama bringt ihn ins
Abenteuerleben zurück. Dort beginnen 1881 die Arbeiten am Panama-Kanal und mit einiger
Chuzpe ergattert er einen gut dotierten Ingenieursposten. Auch diese Passagen von den
ungeheuren Herausforderungen des Jahrhundertprojekts schildert die Autorin ebenso
schnörkellos gradlinig wie präzise und fesselt dabei sowohl mit den exzellent
herausgearbeiteten Charakteren wie auch mit den starken Bildern der einzigartigen
Landschaften.
Und dann geht es in ein hinreißend gelungenes Finale, das von herzhafter Komik getränkt
ist. Zumal es den Helden Berns nun von einer ganz anderen Seiten zeigt, als verwegenen
Hochstapler, der einen schier unglaublichen Betrug begeht. Er gründet 1887 die
Aktiengesellschaft Huacas del Inca (Schatz der Inka) und dank einer
raffinierten Strategie geht ihm die gesamte Elite Perus auf den Leim. Durch Berichte aus
dem Jahr ist das belegt und 1887 ist denn auch das Jahr, in dem sich jede offizielle Spur
des Abenteurers verliert.
Fazit: Sabrina Janesch ist mit dieser Hommage an eine fast vergessene, ausgesprochen
schillernde Lichtgestalt ein grandioses literarisches Werk voller Leben und Farbe
gelungen.
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