MARC-UWE KLING: „QUALITYLAND“


„Der eigentliche Witz ist, dass wir damals in meiner Jugend ernsthaft gedacht haben, das Internet könne das Mittel zur Befreiung der Menschheit sein.“ Das sagt der alte Weise zu Peter Arbeitsloser, dem Maschinenverschrotter, in einer sehr nahen Zukunft.
Dieser Peter steht im Mittelpunkt von Marc-Uwe Klings neuem Roman „QualityLand“. Der ist so ganz anders gestrickt als dessen erfolgreiche Känguru-Trilogie mit ihm als Ich-Erzähler in einer schrägen WG. Natürlich legt der Autor und Kabarettist seine Querdenkerei auch hier nicht ab, doch er führt uns in eine vermeintlich sorglose Nahzukunft.
Beinah paradiesisch erscheint das Leben in diesem supergeregelten Land. Arbeit, Freizeit, Beziehungen und überhaupt das ganze Leben ist von Algorithmen bestens geregelt. Selbstfahrende Autos wissen, wohin man will. QualityPartner führt jedem die optimal passende Beziehung zu und die Allroundversorgung durch TheShop ist so perfekt, dass man alles, was man haben will, automatisch zugeschickt bekommt.
Bestellungen sind überflüssig, denn TheShop weiß, was zu einem passt und was man eigentlich haben will und es nimmt einem sonst notwendige Kaufentscheidungen vorweg ab. Und das erklärt auch, warum es für alles und alle nur noch eine Antwort gibt: OK. QualityLand ist so perfekt, dass man gehalten ist, rundherum für alles nur noch Superlative zu verwenden (Trump lässt grüßen!).
Dennoch kommen bei Peter Zweifel auf, hat er doch Freunde, auf die solche Perfektheitsideale nicht passen wollen. Oder warum hat sein Kampfroboter eine posttraumatische Belastungsstörung und wieso kann seine Drohne Flugangst haben. Ganz zu schweigen vom Tablet, das sich für ein kommunistisches Känguru hält – alles Gerätschaften, die er hätte verschrotten sollen, stattdessen verbirgt er sie im Keller.
Als er nun auch noch von TheShop einen – natürlich nicht bestellten – rosafarbenen Delfinvibrator zugestellt bekommt, ist er erstmal nur sauer und verwirrt. Aber auch jeder Versuch, das niemals auch nur im Entferntesten gewünschte Teil zurückzugeben, erweist sich als schlichtweg unmöglich. Weil nicht vorgesehen im System. Oder macht das etwa doch Fehler?! Und wenn schon bei solch einem läppischen Gegenstand – dann etwa auch bei wirklich relevanten Angelegenheiten?!
Tatsächlich lässt es Peter nicht dabei, sich selbst zu fragen. Er will das untersuchen und er bekommt sogar die Adresse von Henry Ingenieur heraus, dem mutmaßlichen Chef von TheShop. Zu der ihn aber keines der selbstfahrenden Autos bringen kann, weil es die offiziell gar nicht gibt. Und es kommt zu teils herber Situationskomik, teils zu tiefgründiger Satire mit funkelndem schwarzen Humor in dieser schönen neuen Welt – ja, Aldous Huxley lässt durchaus grüßen! - in der die Androiden immer menschlicher und die Menschen immer menschenähnlicher werden.
Wie weit dieses Paradies glücklich machen kann, bleibt bedenklich mit solch simplen Erkenntnissen wie „Lesen Sie etwa meine Nachrichten?“ - „Nur die relevanten.“ Sicherheit aber wird ohnehin groß geschrieben und für das eigene Sicherheistgefühl überwacht man sich dann mit der Selfie-Drohne. Da kommt das Gruseln ganz subtil bei jedem verzweifelten Versuch, ein Stückchen privater Selbstbestimmung zu bewahren beziehungsweise zurückzugewinnen.
Wozu es übrigens zwei Versionen des Buches gibt: die mit schwarzem Cover für Pessimisten und die beige für Optimisten. Die Unterschiede liegen in den unterschiedlichen Einschüben – die entsprechenden Passagen der jeweils nicht erworbenen Version kann man jedoch gratis per Link im Buch bekommen. Fazit: ein hochmodernes Lesevergnügen mit ebenso viel hintersinnigem Esprit wie Tiefgang und so gegenwärtig, wie es klarsichtiger kaum denkbar ist.

# Marc-Uwe Kling: QualityLand; 384 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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