BENJAMIN LUDWIG: GINNY MOON
HAT EINEN PLAN
Ginny Moon wird bald 14 und wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz normaler Teenager.
Doch sie hat gleich zwei Probleme, denn vor fünf Jahren nahm man sie ihrer
drogensüchtigen und gewalttätigen Mutter Gloria weg und erst nach mehreren Stationen kam
sie zu den Herzenseltern Maura und Brian.
Wirklich gravierend ist jedoch, dass Ginny Autistin ist mit ganz besonderen Eigenheiten,
die das Leben für sie selbst wie für ihre Mitmenschen immer wieder recht kompliziert
gestalten. Diese außergewöhnliche Protagonistin steht nun nicht nur im Mittelpunkt von
Benjamin Ludwigs Jugendroman Ginny Moon hat einen Plan - sie ist sogar dessen
Ich-Erzählerin.
Und sie hat als Folge ihrer Entwicklungsstörung einen sehr eigenen Ordnungssinn. So isst
sie zum Beispiel morgens exakt neun Trauben, beharrt auf dem Muster ungerader Zahlen und
muss stets die genaue Uhrzeit wissen. Wenn ihr außerdem jemand gleich zwei Fragen auf
einmal stellt, weiß sie nicht, welche sie zuerst beantworten soll. Also schweigt sie
dann. Und wenn sie sich mal nicht richtig auszudrücken vermag, taucht sie einfach in ihr
Gehirn ab.
Ihre Herzenseltern haben inzwischen recht gut gelernt, so mit ihr umzugehen, dass ein
recht harmonisches Miteinander entstanden ist. Allerdings lässt ein Problem Ginny nicht
los und beschäftigt sie unablässig: die Sorge um ihre Babypuppe. Die war bei ihrer
Mutter verblieben, weil die Polizei sie beim Abholen nicht fand. Sie befürchtet nach den
Erfahrungen mit der ebenso unzuverlässigen wie impulsiven Mutter, dass die schlecht mit
ihrem Schützling umgeht.
Nun aber taucht eine zusätzliche Belastung für das Mädchen auf und das liegt nicht nur
an ihrer speziellen Sicht auf die Welt. Herzensmutter Maura ist wider Erwarten schwanger
geworden und als Herzensschwester Wendy geboren wird, bringt das Ginnys
Weltordnung arg durcheinander. Maura schirmt das Baby außerdem vor dem Mädchen ab und
das fühlt sich doppelt überflüssig, zumal es Emotionen ohnehin nur schwer wahrnehmen
und verstehen kann.
So reift in ihr der aus normaler Sicht aberwitzige Plan, auf ziemlich
schräge Weise zu ihrer leiblichen Mutter zu gelangen, um dort ihre Babypuppe vor der
garantiert drohenden Vernachlässigung zu retten. Und sie zieht das auf beklemmende Weise
durch und man wagt als Leser kaum zu hoffen, dass das Alles noch gut ausgeht.
Was diesen Roman so einzigartig macht, ist die schlüssige Art, dieses autistische
Mädchen aus ihrer sehr eigenen Gedanken- und Gefühlswelt heraus erzählen zu lassen. Und
Benjamin Ludwig hat hier seine persönlichen Erfahrungen als Adoptivvater eines
autistischen Teenagers mit beeindruckender Bravour eingebracht. Fazit: ein großartiges
Stück Jugendliteratur, das aber nicht nur für Teenager geeignet ist, sondern gerade auch
erwachsene Leser fesseln wird.
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