DEON MEYER: FEVER
Ich will vom Fieber erzählen, und von dem Mord an meinem Vater. Das schickt
Nico Storm voraus, als er mit jetzt 47 Jahren zu seiner großen Chronik ansetzt, im selben
Alter wie sein Vater an jenem tragischen Tag.
Das ist der Auftakt zu Deon Meyers Roman Fever. Doch der Autor solch
meisterhafter Krimis wie die um den Kapstadter Ermittler Bennie Griessel hatte
Widerstände bei seinem Verlag zu überwinden, denn dies ist kein Krimi sondern eine recht
spezielle Art von Zukunftsroman. Doch es sei vorweg gesagt: die Skepsis war unbegründet,
denn dieses Epos dürfte sogar einer der besten Romane des gesamten Jahres sein.
Schauplatz ist Meyers südafrikanische Heimat, die man allerdings nur bedingt
wiedererkennt, denn das große weltweite Fieber hat 95 Prozent der Menschheit
dahingerafft. Erst elf Monate sind seit dem Ausbruch der Entvölkerung vergangen, als der
13-jährige Nico und sein Vater Willem beim Transport wichtiger Versorgungsgüter in den
Überfall einer Horde verwilderter Hunde geraten.
Ohne sein beherztes Eingreifen wäre sein Vater umgekommen und Nico ahnt, dass er von nun
an der Beschützer seines ebenso liebevollen wie friedfertigen Vaters sein muss. Der
Universalgelehrte hat andere ungeheuer wertvolle Fähigkeiten als Denker und Anführer,
als sie schließlich in den Ruinen des Dorfes Vanderkloof in der Karoo-Region einen Platz
finden für seine Vision vom Aufbau einer neuen Zivilisation
Wasser bietet der nahe Stausee, weshalb die neue Kommune den Namen Amanzi nach einer
Stammessprache erhält. Und man kann diesen Ort gut sichern. Was unerlässlich ist
angesichts der vielen marodierenden Banden. Tatsächlich sammeln sich zahlreiche
Entwurzelte an und unter den bald mehreren Tausend sind alle möglichen Berufe vertreten.
Als eine der wichtigsten Personen erweist sich der mysteriöse Domingo, der eine
Verteidigungstruppe aufstellt, das Special Operation Team SpOT.
Wie Amanzi sich entwickelt einschließlich gegensätzlicher gesellschaftlicher Strömungen
bis hin zum fanatischen Sektierer Pastor Nkosi, das liest sich faszinierend. Für
ständige Hochspannung aber sorgen die vielen Gefährdungen von außen. Erst mit 16 darf
der kampfstarke Nico beim SpOT mitmachen und es kommt zur Offensive gegen die KTM, wilde
Biker-Banden. Die rauben und machen keine Gefangenen. Es sei denn weibliche, die sie
missbrauchen und verkaufen.
Die junge schöne Sofia entkommt solchen Häschern nur mit viel Glück, als Nicos Kompanie
brachial eingreift. Sie wird seine große Liebe, doch zunächst stehen wichtigere Dinge
an, denn die bescheiden aufblühende Kommune muss sich eines rabiaten Großangriffs
konzentrierter Horden erwehren. Der Versuch einer neuen Zivilisation besteht aber nicht
nur aus kriegerischen Herausforderungen und zur Verwirklichung seiner Vision gehören auch
Willem Storms Aufzeichnungen für das Amanzi-Geschichtsprojekt.
Hier bekommen zahlreiche der hervorragend gezeichneten Figuren eine eigene Stimme und es
entsteht ein großartiges Meinungsmosaik. Mit teils frappierenden Äußerungen über die
Vergangenheit, als für viele die Welt offenbar irgendwie aus dem Ruder gelaufen zu sein
erschien. Und SpOT-Chef Domingo erklärt sogar grimmig: Ich sage nur, dass ich mich
nicht nach der Zeit vor dem Fieber zurücksehne. Wozu denn auch immer wieder herbe
Gesellschaftskritik einfließt.
Die Magie der Geschichte, die in der ganz nahen Zukunft spielt, liegt bei all dem gerade
in der Ernsthaftigkeit der Gefühle und Deon Meyer vermeidet jedes Ausschmücken als
Endzeitroman. Zudem spielen Rassen und Klassen keinerlei Rolle, ja, sie finden nicht
einmal Erwähnung. Mit gewohnt exzellenter Dramaturgie samt spannender Perspektivwechsel
treibt das fesselnde Epos dann einem Finale entgegen, das mit einem Clou aufwartet, der
einem schier den Atem verschlägt.
Fazit: ein grandioses Stück Literatur, rau, ehrlich und mit allen Qualitäten für einen
Klassiker. Und selbstredend absolut filmreif.
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