OMAR EL AKKAD: AMERICAN
WAR
Im Prolog erzählt ein alter sterbenskranker Mann von seinen lebenslangen
Forschungsarbeiten über jenen Zweiten Amerikanischen Bürgerkrieg, der die einst
großartigste Nation der Welt ins Elend brachte. Und es ist der Auftakt zu
einem geradezu infernalischen Roman aus dem späten 21. Jahrhundert, der gleichwohl
beängstigend gegenwärtig erscheint.
American War lautet der Titel und Autor ist der in Ägypten geborene Kanadier
Omar El Akkad. Als Journalist der großen kanadischen Zeitung The Globe and
Mail berichtete er etliche Jahre unter anderem über den Krieg in Afghanistan, über
das Gefangenenlager von Guantanamo sowie über den Arabischen Frühling.
Hier aber springt er zunächst ins Jahr 2075 in Louisiana. Der Südstaat ist teilweise
versunken wie ohnehin durch die katastrophalen Klimaveränderungen ganz Florida und viele
Küstenstriche versunken sind. Der Regierungssitz der USA musste nach Columbus, Ohio,
verlegt werden und Millionen Menschen strömen als unwillkommene Flüchtlinge in
zentralere Bundesstaaten.
Beherrschende Weltmächte sind längst China und das Bouazizi-Reich, das nach dem
Märtyrer benannt ist, der 2011 durch seinen Tod den sogenannten Arabischen Frühling
auslöste, der nach langen Kämpfen zur Gründung eines blühenden Reiches führte, das
sich von Marokko bis in den Mittleren Osten erstreckt. Die US-Bundesregierung aber hatte
ganz andere Probleme mit den Klimafolgen und erließ schließlich jenes folgenreiche
Gesetz, das den Gebrauch jeglicher fossiler Brennstoffe verbot.
Im Süden widersetzten sich dem allerdings Mississippi, Alabama, Georgia und South
Carolina und spalteten sich als Freie Südstaaten ab. Auch Texas war anfangs
dabei, doch das wurde mittlerweile wie auch New Mexiko, Arizona, Nevada und Teile
Kaliforniens von Mexiko annektiert. Mit der Ermordung des US-Präsidenten durch eine
Rebellin des Südens brach dann endgültig der Zweite Amerikanische Bürgerkrieg aus.
Gleich zu Beginn versuchten die Blauen aus dem Norden ein Exempel zu
statuieren, indem sie South Carolina mit einem biologischen Kampfstoff infizierten, der
denb Staat unter eine strenge, ummauerte Quarantäne zwang. Und während man diese
wichtigen Prämissen erfährt, springt das Geschehen nach St. James, Louisiana, zur
Familie Chestnut, die in einem ehemaligen Schiffscontainer am Mississippi-Meer haust.
Hier lebt die sechsjährige Sarah T, die sich selbst Sarat nennt, mit ihrer
Zwillingsschwester Dana und dem etwas älteren Bruder Simon zwar primitiv aber dennoch
glücklich, da sie anderes nicht kennt. Die unbeschwerten Tage enden jedoch abrupt, als
ihr Vater einem der häufigen Selbstmordattentate zum Opfer fällt. Was die Familie nun in
ein Flüchtlingslager zwingt, die elende Zeltstadt von Camp Patience an der Grenze zum
Nordstaat Tennessee.
Während sich Simon als Kindersoldat den Rebellen anschließt, wandelt sich Sarats Leben
zum Alptraum, als sie zwölf ist. Eines Nachts überfallen Milizionäre des Nordens das
Lager und verüben ein Massaker, bei dem Sarat nicht nur Augenzeugin unvorstellbar
barbarischer Gräueltaten wird. Sie verliert ihre Mutter und Simon wird schwer verwundet.
Längst jedoch hatte eine Umgarnung des furchtlosen Mädchens eingesetzt durch den
mysteriösen alten Albert Gaines, angeblich Arzt.
Seine Schilderung von Missetaten der Blauen fallen bei ihr auf fruchtbaren Boden und sie
weiß nicht, wie viel davon reine Erfindung ist. Gaines infiltriert sie, trainiert sie zur
Scharfschützin und gibt ihr erste Aufträge. Nach dem großen Massaker aber das
fatal an jenes von 1982 auf ein Flüchtlingslager im Libanon erinnert ist sie nur
noch von zwei Gedanken erfüllt: Hass und Rache. Ich will sie töten, erklärt
sie und sieht nicht das leise Lächeln ihres Mentors. Und mit kaum 17 gelingt ihr ein
Husarenstück, als sie von Ferne einen Vier-Sterne-General des Nordens auf dem Grenz-Fort
der Blauen erschießt.
Doch der Norden ist den Roten heillos überlegen und die Lage der Rebellen
wird desolat. Und schließlich gehört Sarat zu jenen Aufgegriffenen, die als denunzierte
mutmaßliche Terroristen auf die berüchtigte Gefängnisinsel Sugarloaf
gebracht. Ganz im Stile Guantanamos geht es dort zu und Sarat durchleidet Höllenqualen.
Ohne wirklich etwas zu verraten, denn sie weiß längst, dass ihre Folterknechte in
Wirklichkeit nichts von ihren Geheimnissen wissen.
Dennoch kehrt sie nach den sieben Jahren Kerkerhaft als körperliches und seelisches Wrack
zur Familie ihres Bruders zurück, denn das Waterboarding hat sie endgültig
ertränkt, hat sie endgültig zur einem kalten Klumpen Hass deformiert. So
wird sie schließlich am Ende des Krieges, der über zehn Millionen Opfer gekostet hat,
zur schlimmsten Rachegöttin der Menschheitsgeschichte. Über Quellen aus dem nach der
Weltherrschaft strebenden Bouazizi-Reich gelangt sie an eine furchtbare biologische Waffe
und schlägt am 3. Juli 2095, dem Wiedervereinigungstag, gnadenlos zu.
Atemlos und zutiefst bewegt lässt der alte Forscher aus dem Prolog den Leser am Ende
zurück, denn das Alles ist nicht nur brillant geschrieben sondern erschreckend
realistisch und authentisch geraten. Einschübe mit Berichten, Protkollen und ähnlichem
über die Geschehnisse lassen die hochspannend und dennoch kein bisschen reißerisch
erzählte Geschichte um so echter erscheinen.
In einem bildmächtigen Alptraum lässt Omar El Akkad gewissermaßen die Sünden des
selbstherrlichen Weltpolizisten USA ins Land der Verursacher und der Ignoranten
zurückkehren. Und lässt zugleich die Zerrissenheit der dortigen Bevölkerung in der
Gegenwart anklingen. Fazit: das herausragende Buch des Jahres mit allen Qualitäten eines
Klassikers.
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