DORIS KNECHT: „ALLES ÜBER BEZIEHUNGEN“

 
„Alles über Beziehungen“ hat Doris Knecht ihren mittlerweile vierten Roman überschrieben. Doch das ist weder so dröge, wie der Sachbuch-Titel impliziert, noch geht es wirklich um allseits übliche Beziehungen. Vielmehr stellt die österreichische Erfolgsautorin einen Reigen von Betrügen und Fremdgehen ins Rampenlicht, wie er zwar nicht gänzlich alltäglich aber durchaus typisch für unsere Zeit ist.
Im Mittelpunkt steht der Wiener Viktor Kirchner, kürzlich Festival-Intendant geworden. Abgesehen davon ist er eher durchschnittlich in der äußeren Erscheinung, trotz täglichen Radelns kaum sportlich, ohne volles Haar dafür erster Bauchansatz. Und er geht auf die 50 zu, wobei ihn der ärztliche Check-up ein wenig aber nicht sehr betrübt.
Die für ihre lässig bissige Art berühmte Wienerin stellt ihn unbarmherzig als nicht sonderlich sympathischen Weiberhelden dar, der seine ständigen und immer wieder auch parallel laufenden Affären vor sich selbst als Ausdruck von Sexsucht hinreichend entschuldigt findet: „Er musste seine Unsichtbarkeit besiegen und sich immer wieder sichtbar machen.“ Zwei Ex-Frauen hat er hinter sich, doch Dauerpartnerin Magda, mit der er drei seiner füfn Kinder hat, will er als Stabile in seinem Leben auf keinen Fall missen.
Also wird das Geflecht all der heimlichen Treffen mit den sehr unterschiedlichen anderen Frauen zuweilen recht kompliziert. Doch so scharfzüngig und entlarvend Doris Knecht den dauergeilen Kater auch beschreibt, sie tut es keineswegs als Feministin. Vielmehr sind diese Josi, Helen, Anja, Lisbeth oder Nathalie ganz und gar keine Opfer eines gewissenlosen Casanova – wozu er gar nicht das Format hätte – denn jede hat ihre Gründe, warum sie sich mit ihm vergnügt.
Auch ihre Sichtweisen werden geschildert und ihre Neigungen zu Ausschweifungen sind durchaus nicht geringer als die Viktors. Und sie sind sich dessen durchaus auch bewusst: „Offenbar sah sie es so, dass sie da ein sehr machtvolles Werkzeug zwischen ihren Beinen hatte, das sie nicht ungerne und routiniert benutzte.“ Auch deshalb sind Viktors Gewissensbisse jeweils nur vorübergehender Natur, zumal er sich möglichst nur mit Frauen einlässt, die gewissermaßen anderweitig gebunden sind.
Und trotzdem passiert die erwartbare Katastrophe und nicht nur Magdas vermeintlich kuschelige Lebenssituation stürzt ziemlich krachend ein. So lange konnte sie sich in Ahnungslosigkeit suhlen, nun kommt Bitternis auf, wogegen das so herzhaft genossene Affärengeflecht des Möchtegern-Nonkonformisten völlig aus den Gleisen kippt. Obwohl – doch die Schlusspointen sollen den Lesern vorbehalten bleiben, die schon eine gewisse Qual der Wahl bekommen, welchem der hinreißend gezeichneten Charaktere sie die meiste Schadenfreude zollen sollten.
Auf jeden Fall ist dieser sehr gegenwärtige Roman ein süffisant satirisches Schmankerl über Treue, Fremdgehen und sogar ein bisschen über die Liebe in den Zeiten von SMS, Facebook und recht lockeren Sitten. Fazit: ein wirklich salopper, elegant flapsiger Lesespaß, allerdings nichts für moralinsaure Gemüter.

# Doris Knecht: Alles über Beziehungen; 288 Seiten; Rowohlt Verlag, Berlin; € 22,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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