FRANCIS SPUFFORD:
NEU-YORK
Am 1. November 1746 erreicht Mr. Smith aus London kommend die Hafenstadt New York, die
noch immer so holländisch geprägt ist, dass vieler ihrer gerade 7000 Einwohner Englisch
mit Akzent sprechen und zahlreiche Häuser typisch niederländisch aussehen. Noch am
Ankunftstag sucht Smith den Händler Lovell auf, bei dem er den Wechsel einer englischen
Bank über den damals gewaltigen Betrag von 1000 Pfund einlösen will.
So mitten ins Geschehen springt der englische Sachbuchautor Francis Spufford in seinem
ersten Roman mit dem Tiel Neu York. In dem überschaubaren Städtchen auf der
Insel Manhattan muss Smith sich geduldigen, bis Lovell das Geld flüssig bekommt, und er
macht sich währenddessen schnell zu einer bekannten Persönlichkeit, gerät in seinem
ziemlich ungebärdigen Lebensstil aber auch an Räuber, die ihn in eine prekäre Lage ohne
Bargeld bringt.
Obwohl kommt bald die Liebesaffäre mit einer Offiziersgattin heraus, während er
andererseits Lovells hitziger Tochter Tabitha den Hof macht. Der Leser aber lernt durch
die Augen des Umtriebigen auch die bunte Gesellschaft der Stadt kennen samt ihrer nicht
sonderlich vertrauenswürdigen Oberschicht. Neugierig auf alles, hält Smith seine eigene
Vergangenheit dagegen tunlichst unterm Deckel.
Um so wichtiger wird die Rolle von Gouverneurssekretär Septimus Oakeshott, der heimlich
mit Achilles, dem Sklaven seines Herrn, poussiert. Smith' Verweilen in dem kleinen,
überaus quirligen Kosmos ist ein ständiges Auf und Ab. Da geht es beim Kartenspiel schon
mal um ganze Vermögen, die verzockt werden. Gentlemen müssen nächtens über Dächer
fliehen und für Smith kommt es wegen seiner Liebeshändel schließlich gar zu einem
fatalen Duell. Bei dem ausgerechnet Oakeshott der Gegner ist, inzwischen zum Freund
geworden und dummerweise auch noch ein hervorragender Fechter.
Noch einmal folgt eine überraschende Wende zugunsten des Glücksritters wie auch das
Finale für einen cleveren Clou sorgt, wenn es letzte Geheimnisse lüftet. Bis dahin
unterhält ein Füllhorn an bewegten Ereignissen, bei denen Smith immer wieder in große
Nöte gerät und dennoch nie ganz untergeht. Hinzu kommt ein überaus buntes Leben in der
kleinen Kolonialstadt, das der Autor bis in manch liebevoll ausgeführte Details intensiv
recherchiert hat.
Was diesen farbenfrohen und sehr lebendigen Roman aber so besonders exquisit macht, ist
die explizit altmodische Prosa. Da werden sogar Feinheiten in der Schreibweise mancher
Wörter zu prägenden Stilelementen. Fazit: wer Erzählweisen wie im 18. Jahrhundert und
sowieso das Ungewöhnliche zu schätzen weiß, findet hier ein Lesevergnügen auf hohem
Niveau.
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