BARBARA STOLLBERG-RILINGER: „MARIA THERESIA“


Maria Theresia (1717-1780) saß von 1740 bis zu ihrem Tod als Erzherzogin auf dem Thron des Habsburger-Reichs und war zu dieser Zeit die mächtigste Frau der Welt. Für Generationen von Menschen galt sie mit ihren 16 Kindern als Familien- aber auch Landesmutter und damit zugleich als warmherziger Gegenentwurf zu ihrem Erzfeind Friedrich dem Großen, dem kalten, eroberungssüchtigen Preußen-König.
Wie wenig dieses Bild stimmt, hat mit der Münsteraner Geschichtsprofessorin Barbara Stollberg-Rilinger eine der renommiertesten Experten für die Epoche des 17./18. Jahrhunderts in einer großen Biographie dargelegt. „Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit“ geriet dabei zu einem solch exzellenten Werk, dass es auf der Leipziger Buchmesse 2017 mit dem Preis als bestes Sachbuch ausgezeichnet wurde.
Die Autorin lässt keinen Zweifel daran, dass Maria Theresia eine außergewöhnliche Herrscherin war, das jedoch anders, als es viele Legendenbildungen aber auch hagiographische Biographien bisher dargestellt haben. Tatsächlich gehörte die vor 300 Jahren geborene Monarchin zu den Regenten, die das Heft persönlich in die Hand nahmen und selbst mit Akribie, Fleiß und fester Hand die Regierungsgeschäfte betrieben.
Die Widersprüchlichkeiten Maria Theresias erweisen sich in der Biographie, die sich neben zahlreichen zum Teil kaum bekannten Quellen fast durchgehend auf die Tagebuchaufzeichnungen des Kammerherrn Johann Joseph von Khevenmüller stützt, ihres engsten Vertrauten bei Hofe, immer wieder als verblüffend. So stellte sie die gottgegebene Unterordnung als Frau unter ihren Mann nie in Frage – und bestimmte als Throninhaberin des Hauses Habsburg gleichwohl die Richtlinien der Politik.
Die Historikerin stellt dazu heraus, wie sehr die Erzherzogin, die zwar nie zur Kaiserin gekrönt aber als solche bezeichnet wurde, davon profitierte, dass ihr gütiger Gatte Franz Stephan selbst dann der ebenso geliebte wie gefügige Mann an ihrer Seite blieb, als er zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gekrönt wurde. Im Gegensatz dazu knirschte es später mächtig bei Hofe, als Sohn Leopold II. zum Mitregenten wurde.
Ohnehin decken die Schilderungen über die Mutterschaft der gestrengen und unnachgiebigen Herrscherin wenig Mutterliebe auf. Bürgerliche Idylle und familiäre Volkstümlichkeit wurden ihr angedichtet. In Wahrheit jedoch waltete sie als Übermutter mit harter Hand, um die Söhne nach ihrem Gusto auszurichten und die Töchter nutzvoll für dynastische Zwecke einzusetzen. Sie kujonierte die Kinder mit oft widersprüchlichen Forderungen, spielte sie gegeneinander aus und hielt bei allen Bemühungen wenig von ihren Fähigkeiten.
„Sie misstraute ihren Kindern, traute ihnen auch das Herrschen nicht zu“, stellt die Biographin fest und eröffnet den Blick auf eine rücksichtslose Machthaberin, die sich auch nicht scheute, Spione an die Seite ihrer Kinder zu entsenden. Und so, wie sie selbst Offenheit und Loyalität von ihren Kindern verlangte, dirigierte sie diese entgegen anderslautenden Beteuerungen mit Unaufrichtigkeit und Heuchelei. Was jedoch weniger Folge einer bösen Natur war, vielmehr ordnete Maria Theresia alles – wie auch sich selbst – den Interessen und dem Wohl des Hauses Habsburg unter.
Dieses „allerhöchste Erzhaus“ war als Vielvölkerstaat ein sehr heterogenes Reich und Maria Theresia hatte ja gleich in ihren frühen Herrscherjahren den Erbfolgekrieg und dann den Siebenjährigen Krieg mit Friedrich dem Großen samt dem Verlust Schlesiens durchstehen müssen. Zugleich stärkte sie das fragile Imperium durch etliche rigorose Reformen. Zur großen Ambivalenz dieser kompromisslos katholischen Monarchin gehörte aber auch ihre unbarmherzige Religionspolitik gegen Andersgläubigen, während sie sich zugleich keineswegs scheute, Einmischungen des Vatikan in ihre Herrschaft entschieden zurückzuweisen.
Diese Biographie darf mit ihren hohen Qualitäten gewiss als das Standardwerk zum Thema eingestuft werden. Dies um so mehr, als Barbara Stollberg-Rilinger sich nicht auf Person und Handlungen der Regentin beschränkt. Vielmehr entsteht zugleich ein beeindruckend umfassendes und facettenreiches Bild der gesamten Epoche, die Maria Theresia maßgeblich mitprägte.

# Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie; 1083 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 34

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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