POZNANSKI/STROBEL: „ANONYM“


Nach ihrem fulminanten Debüt als Autorenduo mit „fremd“ haben sich die Österreicherin Ursula Poznanski und der Deutsche Arno Strobel erneut zusammengetan zu einem Thriller. Dazu haben sie jeder für sich als Ich-Erzähler ein Ermittlerduo erfunden, das mit all seinen Macken und Besonderheiten einfach begeistert.
„anonym“ lautet der Titel und aus der Anonymität des Internets und hier des in extremer Weise abgeschotteten Darknets treibt mit Trajan ein außergewöhnlich perfider Serienkiller sein abartiges Spiel. Auf der Plattform www.morituri.to („die Todgeweihten“) lässt er seine ständig wachsende Community Kandidaten aussuchen, die sich eines mehr oder minder schweren Verbrechens schuldig gemacht haben. Oder vielleicht auch nur als unsympathisch angefeindet werden.
Der ahnungslose unfreiwillige „Sieger“ der Abstimmung erleidet dann einen von der Community per Livestream verfolgten möglichst fiesen Tod. Das Opfer einer solch bestialischen Exekution führt nun die beiden Hauptfiguren erstmals zusammen: den überkorrekten Daniel Buchholz und die wurstige Nina Salomon.
Frisch versetzt von Bremen zum LKA Hamburg – und das offenbar wegen einer heiklen Vorgeschichte – rasselt die ungebärdige Nina unvermeidlich mit der „designergekleideten Herrlichkeit“ Buchholz zusammen. Die Nickeligkeiten der beiden Kommissare miteinander geben dem ohnehin stark geschriebenen Geschehen viel zusätzliche Würze, aber auch Tiefe. Wobei dem gesamten Ermittlerteam sowieso nicht viel Zeit für persönliche Befindlichkeiten bleibt, denn Trajan treibt sein heimtückisches Spiel unablässig voran.
Mit immer neuen Steigerungen geilt er ein immer mordlüsterner werdendes Publikum auf und auf die Todesliste gelangen sogar schon mal unliebsame Nachbarn, weil deren Hund ständig in den Garten kackt. Der Blick auf die Hasskultur, die da auf ebenso reale wie widerwärtige Weise ihre niederträchtige Wirkung entfaltet, ist erschreckend authentisch geschildert. Zugleich hechelt die Polizei den technischen Raffinessen des Online-Killers ziemlich hilflos hinterdrein und schließlich gelangt sogar Nina Salomon auf die Kandidatenliste.
Mehr sei von diesem packenden und rundum gelungenen Thriller nicht verraten. Als solcher bietet er ganz großes virtuoses Kino. Zartbesaiteten ist allerdings unbedingt von der Lektüre abzuraten, denn die Mordfantasien Trajans sind schlichtweg die eines abartigen Psychopathen.

# Poznanski/Strobel: anonym; 379 Seiten; Wunderlich Verlag, Reinbek; € 19,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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