STEFAN AUST: „HITLERS ERSTER FEIND“


„Konrad Heiden – Writer – Foe of Nazis – 1901-1966“ steht auf einem bescheidenen Grabstein in East Orleans bei Cape Cod. Feind der Nazis, das war dieser Journalist und Buchautor mit halbjüdischem Hintergrund quasi von den Frühzeiten der braunen Bewegung an.
Trotz früher publizistischer Erfolge über dieses sein zentrales Thema bis hin zu Bestsellern über „The Fuehrer“ und das Nazi-Regime ist dieser hellsichtige Analyst hier jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten. Um so verdienstvoller erscheint deshalb das Buch, das ihm jetzt Spitzenjournalist Stefan Aust unter dem Titel „Hitlers erster Feind. Der Kampf des Konrad Heiden“ gewidmet hat. Als Sachbuch und Biographie ist es verfasst und zugleich stellt es eine ebenso spannende wie würdige Hommage dar.
Bereits Anfang der 20er Jahre, als er in München studierte, erlebte das SPD-Mitglied Heiden die Aufmärsche der Rechten und mittendrin den noch recht unbeholfenen Hitler. Der sich aber bereits mit bramarbasierenden Reden hervortat. Ab 1923 arbeitete Heiden als Hilfsredakteur für die Münchener Filiale der liberalen „Frankfurter Zeitung“ und berichtete über Hitler. Fasziniert und noch mehr abgestoßen verfolgte er vor allem dessen Weg und war dabei immer wieder in großer räumlicher Nähe zu den braunen Protagonisten.
So kannte er die meisten wichtigen Nazis aus den Anfängen in München. Eine besonders zugängliche Quelle war ihm dabei Otto Strasser, Hitlers Intimfeind und Gegenspieler innerhalb der NSDAP. Heiden wusste um die Ränkespiele und Intrigen zwischen den Parteigrößen und er wurde der erste intime Kenner und Chronist des Nationalsozialismus von der Gegenseite. Unbestechlich waren sein Blick für Nuancen und Entwicklungen wie auch seine messerscharfen Analysen dazu.
Ihm war bald klar, welche ungeheure Gefahr da heraufzog und er nahm die Lektüre des „Mein Kampf“ wie auch die Tiraden Hitlers in gebotener Weise ernst. Und schon früh äußerte er seine Befürchtung, dass es ein Massaker wie keines zuvor geben werde. Selbst die spätere Endlösung der Judenfrage sah er so präzise voraus, dass er sogar den Gebrauch von Gas prophezeite. Zu Heidens verblüffendsten wie auch beängstigendsten Erfahrungen jedoch wurden die Reden Hitlers.
Das Faszinierende sei weniger dessen wahrhaft charismatisches Redetalent gewesen als vielmehr, wie das Publikum bei noch so lächerlichen Lügenbehauptungen gebannt und selig lauschte, als hätte ein jeder seinen Verstand vorher an der Garderobe abgegeben. Auch solche Analysen flossen mit geschliffener Feder in Heidens Schriften. Schon 1932 legte er die „Geschichte des Nationalsozialismus“ und bald auch die „Geburt des Dritten Reichs“ vor und er landete 1936 mit der ersten aller Hitler-Biographien sogar einen Bestseller.
Natürlich musste dieser erklärte und so gut informierte Feind der Nazis 1933 aus Deutschland fliehen und auch dann noch um sein Leben fürchten. Seiner selbstgestellten Aufgabe als Aufklärer über Hitler und die Nazis blieb er auch in seinem amerikanischen Exil ab 1940 treu. Vehement und auch erfolgreich führte er seinen publizistischen Krieg gegen den Diktator fort. Um so bitterer muss es erscheinen, wie weit Heiden nach dem Krieg in Vergessenheit geriet.
Als 1961 schließlich seine Lebensgefährtin verstarb, vereinsamte der selbst bereits an Parkinson leidenden Hitler-Chronist der ersten Stunde und starb 1966 als armer Mann. Fazit: eine längst überfällige Hommage an einen großen Journalisten und unermüdlichen Kämpfer gegen die braune Flut.

# Stefan Aust: Hitlers erster Feind. Der Kampf des Konrad Heiden; 383 Seiten, div. SW-Abb.; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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