MICHAEL CONNELLY: „SCHARFSCHUSS“


In seinem mittlerweile 19. Fall bekommt es der hartgesottene Detective Hieronymus „Harry“ Bosch von der Abteilung für alte unaufgeklärte Verbrechen mit einem Zehnjahresmord zu tun, der es wahrlich in sich hat. „Scharfschuss“ lautet der Titel des jüngsten Romans von Krimi-Altmeister Michael Connelly.
Eine perfide Attacke auf den Musiker Orlando Merced, der bei einem open air Auftritt mit seiner Mariachi-Band in einem seinerzeit heiklen Viertel von Los Angeles eine schwere Schussverletzung erlitt, wurde stets als Nebenprodukt von Bandenkriegen angesehen und nie zuende ermittelt. Das Projektil hatte Merced so an der Wirbelsäule verletzt, dass er querschnittsgelähmt war und mit den Jahren immer mehr unter den Folgen litt.
Bis ihn nun eine Blutvergiftung dahinraffte. Da diese eine Folge der damaligen Verletzung war, lag damit nach zehn Jahren endgültig ein Mord vor. Viel wichtiger aber war, dass nun endlich das Projektil geborgen werden konnte. Und dem erfahrenen Bosch ist sofort klar, dass es sich nicht um einen Zufallstreffer aus einer Pistole gehandelt hat, sondern um einen gezielten Treffer mit einem Jagdgewehr.
Obendrein findet er sogar recht schnell heraus, dass Merced dennoch ein Zufallsopfer war, denn alte Überwachungsvideos lassen nur einen Schluss zu: die eigentliche Zielperson war der Trompeter der Band, der sich just im entscheidenden Sekundenbruchteil herabbeugte. Doch was könnte hinter einem solchen Mordanschlag auf einen mexikanischen Musiker stecken?
Während Bosch noch über mögliche Hintergründe für die Tat grübelt, die der damalige Bürgermeisterkandidat Zeyas für seine erfolgreiche Wahlkampagne nutzte, bemerkt er nebenher, dass sich seine neue Partnerin, die erst 28-jährige Lucia Soto, seltsam verhält. Sie kam als Quereinsteigerin in sein Team, nachdem sie sich als mutige Pistolenschützin gegen rabiate Gangmitglieder durchgesetzt hatte.
Die ebenso unerschrockene wie clevere mexikanisch-stämmig Polizistin gesteht ihm schließlich, dass sie ganz bewusst in eben diese Abteilung für Altfälle gekommen ist, nachdem sie vor zehn Jahren als einzige von zehn Jugendlichen bei einer Brandstiftung auf eine Wohnung überlebt hat. Man hatte das Verbrechen ad acta gelegt, nachdem der Hauptverdächtige bald schon spurlos verschwunden war.
Um Soto zu schützen, bastelt Bosch eine vermeintliche Verbindung zwischen diesem Fall und dem des ermordeten Musikers. Bei dessen Ermittlungen jedoch gerät das ungleiche aber gut harmonierende Paar einerseits an wahre Windmühlen der Bürokratie, andererseits wiederum wirbeln sie offenbar Staub von üblen weitreichenden Machenschaften auf, bei denen sehr mächtige Leute im Mittelpunkt stehen.
Bosch hat nur noch ein Jahr bis zur Pensionierung und dieses Wissen schlägt sich zunehmend in seinen Denken, Fühlen und Handeln nieder. Bis er sogar vor heiklen Schritten nicht zurückschreckt – mehr aber sei hier nicht verraten. Fazit: ein Harry-Bosch-Fall mit einer gewissen Melancholie, gleichwohl von gewohnt hoher Qualität und ein echtes Krimi-Vergnügen.

# Michael Connelly: Scharfschuss (aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb); 458 Seiten; Droemer Verlag, München; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1215 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de