PHILIP KERR: „OPERATION ZAGREB“


Die Krimis um den hartgesottenen cleveren Ermittler Bernie Gunther von der Berliner Kriminalpolizei glänzen besonders, wenn sie vor realem Hintergrund zur Nazi-Zeit spielen. Das hat der schottische Erfolgsautor Philip Kerr auch beim mittlerweile 10. Fall so gehalten.
Ein alter Film mit Dalia Dresner ist es, der den ergrauten Kriminalisten in den 50er Jahren schmerzlich an einen verwegenen Geheimauftrag mitten im Weltkrieg erinnert. „Operation Zagreb“ lautet der Titel und unter anderem dorthin wurde Gunther 1942entsandt. Nach einigen sehr kritischen Fällen, so zuletzt die kriminalistische Spürarbeit bei den Morden von Kattyn, hat Gunther einen besonderen Ruf im Reichssicherheitshauptamt – den er auch dringend benötigt, da in Führungskreisen seine Abneigung gegen die Nazis wohlbekannt ist.
Nun ist es ausgerechnet der mächtige Propagandaminister Joseph Goebbels, der Gunther zum Vieraugengespräch herbeizitiert. Der hemmungslose Weiberheld hat sich mal wieder unsterblich verliebt. Diesmal in die von ihm selbst zur „deutschen Garbo“ stilisierten Dalia Dresner
- man denke an seine Affäre mit der echten Lida Baarova, wegen der er sogar von Hitler heftig ins Gebet genommen wurde – und die er partout nicht nur für den nächsten großen Film der UFA gewinnen will.
Doch die gebürtige Kroatin weigert sich und bringt einen triftigen Grund vor: sie sorge sich wegen der schlimmen Berichte von den Kämpfen in Jugoslawien um ihren Vater. Seit längerem sei jeglicher Kontakt abgerissen und so lange sie nichts von ihm erfahren habe, sei es ihr unmöglich zu drehen. „Leise und unauffällig“ lautet Goebbels' Befehl, soll Gunther das Nötige herausfinden. Dafür stellt er ihm zur Kontaktaufnahme sogar seinen persönlichen Traum-Mercedes zur Verfügung.
Mit dem Gunther zur Villa der Schönen fährt, wo es zu hinreißenden Szenen kommt. Der Mittvierziger riskiert in den höchst erotischen Passagen Kopf und Kragen, erhält vom zufriedenen Obernazi jedoch den diskreten Marschbefehl auf den Balkan. Wo er einer Hölle blutrünstiger Metzeleien begegnet, die selbst seine bitteren Erfahrungen von den Schlächtereien hinter der Ostfront noch übersteigen.
Und er kommt tatsächlich auf die Spur des Vaters, der einst zum Franziskanermönch geworden war und nun zum Ustascha-Obersten Dragan, einer schier unglaublichen Bestie – aber einigen realen katholischen Priestern nachempfunden, die im Krieg gegen Tschetniks und serbische Partisanen zu übelsten Blutsäufern geworden waren. Wie Kerr ohnehin auch diesmal wieder bestens recherchiert hat und die Geschehnisse ebenso authentisch wiedergibt wie die Rollen fast sämtlicher Protagonisten.
Das gilt dann auch für seinen anschließenden Geheimauftrag in der Schweiz. Nachdem Gunther mit Einverständnis von Goebbels Dalia vorgelogen hat, ihr Vater sei umgekommen, ist diese in die friedliche Alpenrepublik zu ihrem reichen, deutlich älteren Ehemann zurückgekehrt. Gunther aber erlebt statt des bereits angebahnten erneuten Schäferstündchens mit der ihm offenbar sehr verbundenen Dalia einige lebensgefährliche Abenteuer. Schließlich ist das neutrale Land ein Tummelplatz der Geheimdienste.
Näheres aber soll hier nicht verraten werden, denn es bleibt spannend und kredenzt noch so manche Überraschung, wenngleich dieser Fall mehr von den immer wieder großartigen Dialogen als von überschäumender Action lebt. Die wahre Würze bietet jedoch Gunthers herber Sarkasmus, mit dem er oft nur mühsam seinen Hass auf die Nazis kaschiert. Hinzu kommen so manche frappierende Interna aus der Nazi-Nomenklatura, die nah an der Realität sein dürften.
Fazit: vielleicht ist „Operation Zagreb“ nicht der beste Bernie-Gunther-Fall, aber Freunde dieser Mischung aus 'krimi noir' und Nazi-Zeit finden hier wieder ein ganz großes Lesevergnügen.

# Philip Kerr: Operation Zagreb (aus dem Englischen von Axel Merz); 508 Seiten; Wunderlich Verlag, Reinbek; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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