STEVE TOLTZ: FLIEßSAND
Als Möchtegern-Schriftsteller ist Liam Wilder gescheitert, seine Ehe ist ein Chaos und
als mittelmäßiger einfacher Polizist erlebt er so manches Ungemach. Wie gut, dass er in
Aldo Benjamin einen besten Freund hat, der die Tristesse seiner Existenz als wahrer
Master of Desaster um ein Vielfaches übertrifft.
Diese seltsamen Zwei stehen im Mittelpunkt von Fließsand oder eine
todsichere Anleitung zum Scheitern, dem neuen Roman des australischen Erfolgsautors
Steve Toltz. Eingangs sitzen die beiden Männer in einer Strandbar und der an den
Rollstuhl gebundene Aldo philosophiert über das Leben, kauzig und mit sperriger Unlogik.
Und zieht schließlich das selbstmitleidige Fazit: Ich bin niemandes Muse.
Was Liam prompt den totalen Geistesblitz eröffnet Aldos Leben als unüberbietbares
Romansujet. Schließlich hat der gerade 42-Jährige sich von Jugend an als das extreme
Musterbeispiel eines Pechvogels präsentiert und das gekoppelt mit einem unglaublichen
Maß an Realitätsverweigerung. Wobei hirnrissige Geschäftsideen zu krassen Verlusten
nicht nur eigenen Geldes führten.
Außer einer Tasse heißen Wassers ist Aldo noch nie etwas in den Schoß gefallen,
vielmehr häufte er von jeher das Höchstmaß bizarrster Missgeschicke an. Hinzu kamen
diverse mögliche und unmögliche Krankheiten und zuletzt auch noch ein haariger
Knastaufenthalt. Und Liam hält als Ich-Erzähler fest, dass Aldo selbst etliche
Selbstmordversuche schlichtweg vergeigte.
Gegen alle Vernunft aber sind sowohl Aldo wie auch Liam so große Optimisten, dass selbst
ihre Weltuntergänge nicht final sind. Wobei Aldo tiefgründig sinniert: Die Leute
denken ernsthaft darüber nach, was sie nach der Endzeit machen sollen. Bisher aber
hatte Liam vielmehr wiederholt manche heikle Aufgabe damit, wenn er Aldo mal wieder als
Polizist aus einer Bredouille befreien musste.
Freunde sind sie seit Schulzeiten, oder mehr als das: indirekte Brüder, weil sie doch
beide eine tote Schwester hatten. Die unwahrscheinlichen Ereignisse aber gipfeln nun in
einem absurden Strafprozess gegen Aldo wegen Vergewaltigung einer Prostituierten.
Wohlgemerkt als Rollstuhlfahrer, der der Puffmutter auch die vereinbarten 200 Dollar
bezahlt und nicht den Hauch von Gewalt angewendet hatte.
Bis die Polizeirazzia den Sexversuch unterbrach und ein neues Gesetz ausgerechnet den
Pechvogel als erstes Opfer vor den Kadi brachte. Tragikomödie der tiefschwarzen Art und
absurdes Theater mit schrägen bis schrillen Dialogen und Szenen vermischen sich hier zu
einer irren Melange, die kaum ein bedeutsames Thema auslässt. Und wohl selten passte zu
zwei Typen im Kampf gegen die Windmühlenflügel des Lebens so sehr das vorangestellte
Zitat von Franz Kafka: Doch, es gibt unendlich viel Hoffnung. Aber nicht für
uns.
Fazit: wer es verrückt und mit der Lust an hintersinniger Unlogik mag, kann mit diesem
Roman ein wahres Fest feiern.
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