EMMA BRASLAWSKY:"LEBEN IST
KEINE ART, MIT EINEM TIER UMZUGEHEN"
Hauptfiguren eines der Erzählstränge in Emma Braslavskys neuem Roman "Leben ist
keine Art, mit einem Tier umzugehen" sind Jivan, ein erfolgreicher Bunkerarchitekt,
und seine Frau Jo. Ihre Ehe scheint auf der Kippe zu stehen. Jedenfalls ist, so sieht er
es, "ihre Vagina vermintes Sperrgebiet".
Jo ist eine selbsternannte Bessere-Welt-Aktivistin, die durch ihren bislang erfolgreichen
Mann finanziell bestens abgesichert ist und unbedingt in der Organisa-tion Animal Rights
den Posten der PR Managerin an-strebt. Jivan unterstützt sie dabei und gibt wenigstens
vor, ihren ökologischen und politisch korrekten Lebens-stil zu unterstützen.
Tatsächlich ist ihm das völlig egal. Seine Geschäfte laufen längst nicht mehr so gut,
wie er vorgibt. Abhil-fe schaffen könnte das Erbe, das er von seinem Vater zu erwarten
hat. Das ist aber dummerweise an die Bedingung geknüpft, dass er es nur antreten kann,
wenn er den Nachweis erbringen kann, dass Nachwuchs in seiner Ehe wenigstens auf dem Weg
ist. Seine Frau jedoch meint standhaft, sie sei noch nicht so weit.
Roana, gerade neunzehn Jahre alt, ist die Hauptfigur im zweiten Handlungsstrang. Sie ist
von ihrem Vater auf eine Art Survivaltrip an einen südamerikanischen Vulkan geschickt
worden ? offenbar eine Familientradition ? um dort zur Vernunft zu kommen und sich zu
entscheiden, den väterlichen Betrieb zu übernehmen. Das hält sie jedoch nicht lange
durch, sie schlägt sich nach Buenos Aires durch und kommt dort in einem Zentrum für
Kab-bala-Studien unter. Sie schließt sich einer Aktivisten-gruppe von Kunstpelz-Gorillas
an und landet schließlich bei einem Wissenschaftlerehepaar, das sie mit einem
gen-technisch erzeugten sogenannten ?Newman? befruch-tet, der der erste Mensch einer ganz
neuen Art Mensch werden soll.
In einer paradiesischen Bucht irgendwo, nackt und ohne Geld leben Noah Hoffman und seine
Freundin Jule. Sie glauben, hier ihr Paradies gefunden zu haben. Und das verbindet ihre
Geschichte mit den anderen beiden. Das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung, das
sie hier auf sehr ursprüngliche Weise versuchen, gelingt auch ihnen nicht.
Dem Leser verlangt Emma Braslavsky zunächst einmal einiges ab. Alle drei Geschichten
laufen anfangs ohne dass ein Zusammenhang erkennbar wäre, nebeneinander her. Lediglich in
der Erzählweise sind sie unterschied-lich. Während der Strang mit Jivan und Jo von einem
Erzähler erzählt wird, ist die Geschichte Roanas in der Ich-Perspektive geschrieben und
Noah erscheint als Tagebucheintrag.
Fahrt nimmt die Geschichte auf, als der Nachrichten-sender N-Global die Entdeckung einer
bisher nicht kartographierten Insel von der Größe Balis mitten im Atlantik bekanntgibt
und damit einen internationalen Hype von Regierungen bis hin zu allen möglichen
Abenteurern auslöst.
Diese Insel wird es dann auch sein, die die drei bis dahin nebeneinander her laufenden
Geschichten, die eher an eine Collage erinnern, als an eine zusammenhängende Geschichte,
sich überschneiden werden. Auch wenn die Geschichten sich einzeln flüssig und spannend
lesen lassen, wird ein Zusammenhang erst in den letzten Kapiteln offensichtlich. Hilfreich
für den Leser ist dabei das Verzeichnis der handelnden Personen, das dem Buch
vorangestellt ist.
Bei aller Gesellschaftssatire, die das Buch durchaus auszeichnet, zerstört Autorin mit
einem Kapitel viel an Glaubwürdigkeit. Um das Haar von Jivan, aus dem die beiden
Wissenschaftler die Eizelle herstellen, mit der sie Roana befruchten, erfindet sie eine
aberwitzige Geschichte (ab S. 154), bei der eine Windböe auf einem Berliner See ein Haar
von Jivan davonträgt, es in große Höhe trägt, sich das Haar schließlich im Gefieder
eines Geiers verfängt, der es nach Buenos Aires trägt, wo die beiden Wissenschaftler es
finden und verwenden und damit Jivan zum Vater des ?Newman? machen. Davon hätten alle
Personen, die sie in der Danksagung erwähnt hat, ihr dringend abraten sollen.
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