JUSTIN CRONIN: „DIE SPIEGELSTADT“


Als gewissenlose US-Militärs die Superkrieger gegen den Terrorismus entwickeln ließen, nutzten sie dafür zwölf Schwerverbrecher aus Todeszellen. Das Ergebnis in den geheimen Labors waren jedoch monströse Missgestalten, lichtscheu und so menschenblutrünstig, dass man sie Virals nannte.
Umgehend entstanden durch ihre grausige Vermehrungsmethoden ganze Armeen von telepathisch gelenkten und extrem überlebensfähigen Bestien und ihr verheerender Siegeszug drohte nicht nur Nordamerika zu entvölkern. Mit diesem furiosen Auftakt begann Justin Cronin seine Endzeit-Trilogie im ersten Band unter dem Titel „Die Passage“.
Sofern es überhaupt noch eine Hoffnung für die Menschheit gab, schien sie in der Person der jungen Amy zu liegen. Das Waisdenkind war einst die letzte Versuchsperson in den Tstlabors gewesen und hatte die vervollkommnete Version der Verwandlungsdroge erhalten. Dem alptraumhaften Horrorroman folgte dann Band II unter dem Titel „Die Zwölf“, der in geradezu religiöse Dimensionen vorstieß.
In diesem Roman, der mit einer starken Chronologie in bibelähnlicher Form einsetzte, kam es schließlich zu einer Art Endzeitschlacht. Endlich konnten die zwölf Ur-Virals und ihre Teufelsbrut vernichtet werden und die restliche Menschheit schien gerettet zu sein. Nun liegt Band III vor, trägt den Titel „Die Spiegelstadt“ und bringt das Endzeit-Epos zum Abschluss.
Am Anfang steht ein Prolog „Aus den Schriften der Ersten Chronisten (Das Buch der Zwölfe)“, der mit alttestamentarischer Wucht an die gewesenen Ereignisse vor nunmehr 21 Jahren erinnert. Und er führt in die befestigte Stadt Kerrville in der Republik Texas, wo die Überlebenden eine neue Zivilisation aufzubauen versuchen. Amy gilt als verschollen, aber Virals wurden ebenfalls seit dem Ende der Zwölf nicht mehr gesichtet.
Größtes Problem scheinen Machtkämpfe und Versorgungsengpässe zu sein. Doch wie hatten sich die Menschen geirrt, denn der größte Menschheitsfeind lauert in fernen Katakomben: Zero, der „Vater der Zerstörung“. Auch er einst Wissenschaftler in den Testlabors, war dieser Dr. Tim Fanning zwar bei den Versuchen gleichermaßen zum Viral mutiert, das aber nicht nur unter Wahrung seines hochintelligenten Verstandes, sondern mit der infernalischen Fähigkeit, ganze Heerscharen der teuflischen Virals telepathisch zu führen.
Nach dem eher ruhigen Auftakt erhält Zero nun so viel Raum für seine Geschichte als aus einstiger Liebesenttäuschung manisch hasserfüllter Patient Null, dass es quasi ein Roman im Roman darstellt. Womit er von all den ohnehin exzellent gezeichneten Protagonisten das schillerndste und tiefgründigste Profil bekommt. Und plötzlich springen Tempo und Hochspannung des Romans an und steigern sich bis zu einem Furioso, in dem sich die Ereignisse geradezu überschlagen.
Ob Präsident Peter Jaxon, ob Hybrid-Viral Alicia oder die plötzlich wieder auftauchende geheimnisumwitterte Amy – sie wie auch zahlreiche schon fürher eingeführte Helden geraten in einen ebenso packenden wie furchterregenden Endzeitwirbel. Brachial, kriegerisch, mörderisch geht es zu und Justin Cronin entfaltet eine rasante Prosa, die bis zu einem spektakulären und bombastischen Showdown mitreißt.
Fazit: bis auf den breiten Epilog, der bei aller Information deutlich hinter der sonstigen Klasse der Trilogie zurücksteht, ein fulminanter Abschluss zu einer grandiosen Fast-Weltuntergangsgeschichte. Für Freunde des Genres empfiehlt sich allerdings wegen des besseren Verständnisses das Lesen aller drei Bände. Empfindlichen Gemüter seien allerdings gewarnt, denn das Grauen feiert hier zuweilen fröhliche Urständ.

# Justin Cronin: Die Spiegelstadt (aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt); 990 Seiten; Goldmann Verlag, München; € 24,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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