BOB DYLAN: TARANTEL
Nun hat Bob Dylan verdientermaßen den Literatur-Nobelpreis erhalten. Sein einziger Roman
allerdings hat damit herzlich wenig zu tun, denn Tarantel entzieht sich
sämtlichen Deutungsversuchen und sogar der Meister selbst sperrte sich nach der
Fertigstellung gegenüber Forderungen des Verlages nach Korrekturarbeiten.
Schon die Entstehungsgeschichte war recht ungewöhnlich, denn dylan schrieb diesen
Fiebertraum eines Romans 1965 mit kaum 24 Jahren nieder. Zugleich war es die kreativ
wildeste Phase seiner Karriere mit dem Schwenk vom hochverehrten aber auch
zunehmend vereinnahmten Protestpoeten zum Songschreiber solcher Geniestreiche wie
den Alben Bringin' it all back Home und Highway 61 Revisited.
1966 sollte das Buch erscheinen und es gab Änderungswünsche für das groß beworbene
literarische Debüt des Superstars. Und dann passierte Dylan im Sommer jener mysteriöse
Motorradunfall, der ihm die ersehnte Chance gab, sich auf unbestimmte Zeit aus dem
inzwischen gefürchteten Starrummel zurückzuziehen. Doch Dylan sperrte sich auch gegen
die Korrekturarbeiten an den Druckfahnen und zeigte kaum noch Interesse an dem Buch.
Das dann tatsächlich erst 1971 veröffentlicht werden konnte. Just zu dem Zeitpunkt, als
er bei George Harrisons Concert for Bangla Desh sein fulminantes Live-Comeback
feierte. Und der Roman, von dem bereits und auch das ist sehr ungewöhnlich in der
Literaturgeschichte Teile in Raubkopien herumgeisterten, wurde ein Millionenerfolg.
Trotzdem dürfte er zu jenen Sonderfällen gehören, die trotz solcher Verkaufszahlen nur
von einer Minderheit auch wirklich ganz gelesen wurden. Rezensenten hielten sich weltweit
auffallend zurück und selbst ausgewiesene Dylanologen blieben zurückhaltend mit
Deutungsversuchen dieses Anti-Romans mit seinem schrägen Personal. Selbst
eine richtungsweisende Einordnung in Tragödie, Komödie, Roadmovie oder dergleichen
verbietet sich. Tarantel offenbart einen irrlichternden Kosmos ohne
erzählbare Geschichte, sprüht dabei jedoch vor Fantasie und Intellekt.
Anlässlich der Nobel-Ehrung ist die Neuauflage in der zweisprachigen Fassung mit Carl
Weissners Übersetzung von 1976 gleichwohl sehr zu begrüßen. Nicht nur für Fans der
Poesie Dylans ist da auch das Nachwort des Dylanologen Heinrich Detering von großem Wert.
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