AMITAV GHOSH: „DIE FLUT DES FEUERS“


Mit dem Abschlussband „Die Flut des Feuers“ legt der indische Erfolgsautor Amitav Ghosh nun das Finale seiner „Ibis“-Trilogie über die Ereignisse vor, die 1839 zum 1. Opium-Krieg gegen China führten.
Kaiser Daoguang will sich gegen die Opium-Einfuhren in sein Reich wehren, die bereits 100.000-faches Rauschgiftelend verursacht haben. Gegen die allseits grassierende Korruption von Zöllnern und Beamten greift inzwischen der neue Statthalter Lin Zexu – eine historische Figur! - streng durch. Mit diesen Versuchen und der Empörung seitens der Briten als Hauptprofiteure endete „Der Rauchblaue Fluss“, Band II des Monumentalwerks.
Nun sieht das Vereinigte Königreich den „freien Handel“ für seine East India Company beeinträchtigt und erklärt dem Kaiserreich den Krieg. Eines der weit überlegenen Kriegsschiffe, die China zum Einlenken zwingen sollen, ist die „Hind“. Sie segelt jetzt von Bombay nach Kanton und Captain Mee steht der bereits eingeführte Kesri Singh als indischer Kolonialsoldat zur Seite. Er wird gegen Ende hin in einigen der schlimmsten Schlachten des sogenannten Opiumkrieges mitwirken.
Ein anderer Handlungsstrang dreht sich um den jungen US-Seemann Reid, der eigentlich nach seiner verflossenen Liebsten sucht. Diese Französin Paulette hat jedoch das Problem, als harmlose Botanikerin in China zur unerwünschten Person zu werden, als sich die britische Flotte nähert. Reid jedoch verfällt stattdessen der liebeshungrigen Gattin seines britischen Arbeitgebers – und hier gibt es einige für diesen Autor eher ungewöhnlich erotische Passagen.
Eine weitere zentrale Figur ist Shireen, die Witwe des indischen Opiumhändlers Modi. Mit viel Mut reist sie nach China, um seine Hinterlassenschaft an sich zu nehmen. In Kanton aber muss sie erkennen, dass er seit langem auch eine chinesische Familie mit Frau und Kind hatte. Hinzu kommt noch der frühere Raja Nil in chinesischen Diensten, der eifrig Tagebuch führt und auch die große Vernichtungsaktion von 20.000 Kisten mit Opium aus Indien festhält.
In epischer Breite erzählt der Historiker Ghosch nun ebenso ernsthaft wie auch von zuweilen komischen Szenen durchsetzt das weitere Schicksal der allesamt exzellent gezeichneten Charaktere. Durch die ständigen Wechsel der Perspektiven und die atmosphärische Dichte entsteht trotz hoher Detailfreudigkeit und des im besten Sinne altmodischem Stil eine mitreißende Sogwirkung.
Das Geschehen führt schließlich sämtliche Handlungsstränge zusammen, wenn die britische Übermacht in harten Kämpfen den „freien Handel“ erzwingt und dabei dem Kaiserreich nicht nur eine verheerende Niederlage zufügt, sondern sich auch noch Hongkong einverleibt. Die britische Kolonialmacht hat sich nach der Unterwerfung und Ausbeutung Indiens damit nun endgültig zum großen europäischen Ausbeuter aufgeschwungen.
Zur hohen literarischen Qualität dieser Trilogie gehört neben der hinreißenden Erzählkunst des Autors mit dem exzellenten Zeit- und Lokalkolorit auch sein Blickwinkel: ohne zu werten oder anzuklagen schildert er das Alles aus Sicht jener, die einst die Ausgebeuteten waren. Abschließende Empfehlung: man muss die beiden ersten Bände nicht zum Verständnis kennen, doch es rundet das Lesevergnügen auf jeden Fall ab.

# Amitav Ghosh: Die Flut des Feuers (aus dem Englischen von Barbara Heller und Rudolf Hermstein); 861 Seiten; Blessing Verlag, München; € 27,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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