ELA ANGERER: UND DIE NACHT
PRAHLT MIT KOMETEN
Gleich auf der ersten Seite setzt es Gewalt aus nichtigem Anlass: Bojan ereifert sich
über den vermeintlichen neugierigen Blick, den Vie einem Dunkelhäutigen zuwirft und
schlägt ihr die Faust ins Gesicht. Nichts wirklich Neues für die 22-Jährige aus
wohlbetuchten aber spießigen Verhältnissen.
Damit beginnt Ela Angerers zweiter Roman Und die Nacht prahlt mit Kometen. Und
sie erzählt erst einmal, wie die naive zierliche Wienerin vom ersten Blickkontakt auf
einem Flohmarkt so getroffen war, dass ihr ein verwirrender Gedanke durch den Kopf schoss:
Von diesem Mann wirst du ein Kind bekommen. Allerdings sehen sie sich erst
nach Wochen wieder, da aber greift der charismatische 35-Jährige kommentarlos zu und
macht sie im Handumdrehen zu seiner Geliebten.
Doch so sehr sie ihm auch verfällt, er behandelt sie, wie es ihm gerade einfällt und
erscheint zwischendurch wochenlang gar nicht. Oder er kreuzt mit einer noch Jüngeren in
ihrer Wohnung auf und schläft mit beiden. Und dazu erlebt man den spannenden Kontrast zu
dieser immer mehr in die Hörigkeit abgleitende Amour fou, denn die Kapitel wechseln sich
jeweils ab.
Begann die unmögliche Beziehung im Frühjahr 1986, springt das Geschehen nun zur
mittlerweile 49-jährigen Valerie. Sie hat einen guten Job, ihre erwachsene Tochter lebt
in den USA und hat kürzlich den Kontakt zu ihr abgebrochen. Und die emanzipierte Frau hat
sich über Weihnachten von allen in einen offiziellen Urlaub auf den Kanaren abgemeldet,
um in Ruhe daheim für sich allein faulenzen zu können.
Dann aber wieder Vie im Wien der 80er Jahre mit diesem erratischen Narziss an ihrer Seite,
der unberechenbar und jähzornig ist und eben bald auch zuschlägt, wenn ihn etwas reizt.
Der großgewachsene Macho arbeitet nichts: er macht Geschäfte. Und seine
Mutter erklärt Vie, Bojan sei eben ein typischer Serbe. Noch wichtiger aber war wohl,
dass er im österreichischen Exil als Junge Demütigungen erlebte, wegen denen er nun
skrupellos junge Mädchen aus besseren Kreisen an sich zieht und ausbeutet.
Natürlich ist dieser Unsympath dem Leser sofort zuwider, gleichwohl gelingt es Ela
Angerer verständlich zu machen, wie Vie ihm derartig verfallen und sich nicht lösen
konnte. Dazu versteht sie es, seine Gewaltausbrüche so dezent zu schildern, dass sich
ohne zu viele Details oder Pathos eine subtile Verstörung einstellt. Die Wende tritt erst
nach zwei Jahren, vielen Beschimpfungen, Schlägen und einer Abtreibung ein.
Vie hat tatsächlich gehorcht und die Pille erneut weggelassen. Prompt wird sie wieder
schwanger und bekommt Tochter Bea. Diese Mutterrolle, dieses Sorgen für das Kind hatte
sie offenbar gebraucht, um sich aus der fatalen Beziehung zu befreien, denn bis dahin galt
bei allen Kujonierungen: So viel Ärger, nur wegen mir.
An diesem Weihnachtstag aber erhält die jetzt 49-jährige Valerie eine
Facebook-Freundschaftsanfrage eines Boj. Unzweifelhaft, wer sich dahinter
verbirgt und jetzt Wellen der Erinnerung aufwirft. Kommt noch einmal die mühsam
bewältigte Verwirrung zurück? Hier gleitet der so lakonisch geschriebene und bei aller
Distanz höchst fesselnde Roman in ein spannendes Finale. Fazit: dieses Psychogramm einer
einst hörigen Frau ist ein kleines aber feines Meisterwerk.
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