HANNAH ROTHSCHILD: "DIE LAUNENHAFTIGKEIT DER LIEBE"


Annie McDee ist ein richtiges Aschenputtel. Ihre langjährige Beziehung ist in die Brüche gegangen, sie ist nach London gezogen und schlägt sich hier als Köchin im Haushalt eines Regisseurs durch. Zu allem Überfluss hat sie auch noch ihre trunksüchtige Mutter am Hals, die sie regelmäßig aus irgendeiner Polizeiwache abholen muss, weil sie wieder randaliert hat.
Als sie für ihren derzeitigen Freund in einem Trödelladen ein Geburtstagsgeschenk,ein kleines Gemälde, kauft, ändert das ihr Leben grundlegend, ohne dass sie zunächst etwas davon ahnt. Zur Überreichung des Geschenks kommt es nicht mehr, weil ihr neuer Freund die Beziehung beendet. Auch eine Rückgabe des Bildes ist nicht möglich.Der Trödelladen ist abgebrannt und der Verkäufer dabei zu Tode gekommen.
Was der Leser jetzt bereits weiß, wird Annie erst ganz allmählich herausfinden. Das kleine Bild ist ein epochemachendes Werk des französischen Malers Antoine Watteau mit dem Titel ?Die Launenhaftigkeit der Liebe? und wird die Welt des internationalen Kunsthandels auf den Kopf stellen. Und das ist auch der Titel von Hannah Rothschilds Roman, in dem nun Jesse, ein Angestellter im Museum, der das Bild zu Gesicht bekommt, ihr hilft, hinter das Geheimnis des Bildes zu kommen.
Mit dieser Entwicklung wechselt die Perspektive der Erzählung nun in die Welt des internationalen Kunstmarkts, wo die Schönen und Reichen nur auf eine solche sensationelle Entdeckung warten, um sich mit dem Kauf eines derartiges Kunstwerks im Ruhm der Schlagzeilen sonnen zu können. Und sie stehen in den Startlöchern: Der erfolgreiche Rapper, die arabische Herrscherfamilie, die ein Kunstmuseum hat bauen lassen, das noch leer steht, und natürlich auch der Oligarch aus Russland, der auf acht Milliarden geschätzt wird.
Und das sind nur einige von ihnen. Dazwischen tummeln sich Berater, Vermittler und die Auktionshäuser, die gute Geschäfte wittern. Einer jedoch ist auf Leben und Tod mit dem Gemälde verbunden, der erfolgreiche Kunsthändler Memling Winkelmann. Ihm hat das Bild einmal gehört und er hatte es verschenkt. Mit dem Auftauchen des Bildes würde herauskommen, dass er nicht der Jude ist, der als Kind das KZ überlebt hat, sondern dass er der Nazi war, der Juden ihre Kunstwerke abgezwungen hat. Und dass er nach 1945 die Identität einer jüdischen Familie, die vollständig in den Vernichtungslagern umgebracht worden ist, angenommen hat. Das findet dann ausgerechnet seine Tochter Rebecca heraus.
Eine rasante Geschichte über den Wert von Kunst und eine lesenswerte Persiflage auf den internationalen Kunsthandel ist Hannah Rothschild da in ihrem ersten Roman gelungen. Was als geradezu märchenhafter Glückskauf beginnt, weitet sich zu einer Affäre aus, die an Gier und Skrupellosigkeit kaum zu überbieten ist. Stilistisch etwas gewagt wirkt es allerdings, dass sie das Gemälde selbst zum Leser sprechen und seine eigene Bedeutung und Vergangenheit erklären lässt. Da hätte es sich gelohnt, über geschicktere Möglichkeiten nachzudenken, um die Informationen an den Leser zu bringen.

# Hannah Rothschild: Die Launenhaftigkeit der Liebe (aus dem Englischen von Monika Baark); 508 Seiten; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 21,99

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